Wilhelm Liebknechts Erläuterungen zu dem Foto der Basler Delegierten von 1869.

Quelle: Wilhelm Liebknecht: Vom vierten internationalen Arbeiter-Kongreß in Basel im Jahre 1869. In: Der Wahre Jacob. Stuttgart. Nr. 184. 1898.

… Das photographische Gruppenbild, welches am letzten Tag des Basler Kongresses aufgenommen wurde, ist sehr wohl gelungen … Der Basler Kongreß war von allen Kongressen der internationalen Arbeiterassoziation wohl derjenige, welcher die Arbeiterbewegung seiner Zeit am vollständigsten zurückspiegelt. Die englischen Trades-Unionisten, die französischen Arbeiterführer, die schon mit einem Fuß in der Kommune standen, Bakunin mit seinen Freunden, die Philanthropen der Friedensliga, durch Cowell Stepney vertreten, Moritz Heß, Eccarius - die Veteranen und der junge Nachwuchs – sie waren alle zusammen gekommen. Wenige Stunden nach Aufnahme der Photographie trennten wir uns und nie werde ich vergessen, wie die feurigen Franzosen, Varlin voraus, uns beim Abschied zuriefen: Au révoir! A Paris! In Paris sollte der nächste Kongreß sein – und zwar im folgenden Jahre. … und Varlin meinte lachend: Il n’y sera plus, et nous y serons! – Er – der Napoleon [Napoleon III.] – wird nicht mehr da sein, und wir werden da sein. … Der ritterliche Varlin mit den blitzenden, heiteren, kampffrohen und lebenslustigen Augen, wurde im Rothen Mai 1871 … von den verhetzten, toll und voll gemachten Versailler Ordnungssoldaten – ein wehrloser Kriegsgefangener – durch die halbe Stadt hindurch geschleift, gestoßen, gestochen, geschlagen, bis er als bewußtlose, unförmliche Masse an der Stätte, wo drei Monate vorher die zwei Generale Lecompte und Thomas dem Zorn ihrer eigenen vor Brudermord zurückschreckenden Soldaten zum Opfer gefallen waren, von Kugeln durchlöchert wie ein Sieb, endlich ein Ruheplatz fand.
… Von den 59 Figuren auf dem Bilde habe ich, unterstützt von Greulich, Bürkli und einigen Basler Theilnehmern, nur 43 feststellen können. …
Und nun betrachte man die Gruppe. Ich beginne von links:

    Der Dritte nach rechts ist Mollin (1), Metalldrücker, einer der Pariser Delegierten.
    Der Fünfte Aubry (2), Lithograph von Rouen (Frankreich).
    Der Siebente Chemalé (3), Architekt aus Paris.
    Der mit 4 Bezeichnete ist Bohny aus Basel, Kaufmann, Gastwirth und Mitglied des Großen Raths von Basel, seit einigen Jahren todt.
    5 Lucraft, Stuhlmacher, Mitglied des Generalraths der Internationalen.
    6 Cameron, Vertreter der amerikanischen Grubenarbeiter, jetzt Geschäftspolitiker.
    7 Robin, Professor in Lüttich.
    8 Greulich, jetzt Leiter des schweizerischen Arbeitersekretariats.
    9 Rittinghausen, der Verfechter der direkten Gesetzgebung, später sozialistischer Reichstagsabgeordneter; starb am 29. Dezember 1890.
    10 Neumayr, ein österreichischer Gelegenheits- und Eintagspolitiker, verschollen.
    11 Bürkli, der streitbare schweizerische Geschichtsschreiber und Politiker. (Bereiste als Gerbergeselle Frankreich, England und Deutschland, wurde Fourierist, gründete 1850 den ersten Konsumverein auf dem Festlande (vor Schultze-Delitzsch), ging 1856 mit Victor Considerant nach Texas, später nach Zentralamerika, seit seiner Rückkunft, 1860, Hauptvorkämpfer der direkten Gesetzgebung, des Referendums und der Volksinitiative – geb. 1823.)
    12 Murat, Mechaniker aus Paris.
    13 Brosset, Schlosser aus Genf.
    14 Gut, Schneider aus Lausanne.
    15 Perret, Graveur aus Genf.
    16 Liebknecht.
    17 Goegg, Mitglied der provisorischen Regierung in Baden (1849), alter Freiheitskämpfer, aktiver Demokrat und Sozialdemokrat.
    18 Sentinon, spanischer Arzt und Journalist, redigirte Jahre lang die Revista Sociale in Barcelona.
    19 Grosselin, Monteur aus Genf, seit einigen Jahren todt.
    20 Schwitzguébel, Graveur aus dem Jura, eifriger „Bakunist“ („Jurassier“), jetzt im schweizerischen Arbeitersekretariat thätig.
    21 Leßner, aus dem Kölner Kommunistenprozeß bekannt, in London lebend und thätig.
    22 Dereure, Schuhmacher, später Mitglied der Kommune, jetzt Verwalter des „Socialiste“.
    23 Fara, Buchdrucker aus Barcelona.
    24 Bakunin, Anarchist, nach erfolglosem Versuch, die Internationale zu sprengen, 1876 in Bern gestorben.
    25 Heng, Graveur aus Genf.
    26 Guillaume, Professor aus Locle, Chef des „Jurassier“, rechte Hand Bakunins. Jetzt Beamter im französischen Unterrichtsministerium.
    27 Tartaret, Delegirter aus Paris.
    28 Hins, Journalist aus Belgien, jetzt Universitätsprofessor.
    29 De Paepe, Cäsar, damals Buchdrucker (er hatte damals so leichtes Gepäck, daß er zu Fuß von Basel nach Brüssel heimkehren mußte), studirte später Medizin, tüchtiger Journalist und Theoretiker; starb am 19. Dezember 1890.
    30 Johann Philipp Becker, über ein halbes Jahrhundert im Vorkampf, mit Feder und Schwert - gestorben 1886.
    31 Eccarius, Verfasser der trefflichen Arbeit über die Schneiderei in London, Kritiker Mill’s. Lebt noch, aber nicht mehr aktiv.
    32 Richard, Weber aus Lyon, Bakunist, als Agent der Bonapartisten verschollen.
    33 Jung, Uhrmacher, der vielsprachige Vorsitzende verschiedener internationaler Kongresse.
    34 Quinche, Bandweber aus Basel.
    35 Flocquet, Monteur aus Locle.
    36 Pindy, Tischler, später Mitglied der Kommune, dann Anarchist, jetzt Angestellter eines eidgenössischen Goldprobers.
    37 Applegarth, Zimmermann aus London, Mitglied des Generalraths.
    38 Brismée, Buchdrucker, der Vater des belgischen Sozialismus, seit einigen Jahren todt – gleich seinem Schwiegersohn de Paepe.
    39 Varlin, Buchbinder, später Mitglied der Kommune, von den Versaillern langsam gemordet. (Greulich bezweifelt, daß dies Varlin sei, den er auf dem Bilde nicht findet.)
    40 Moritz Heß, einer der Patriarchen des deutschen Sozialismus. Seit zwanzig Jahren todt.
    41 Flahaut, Marmorarbeiter von Paris.
    42 Cowell Stepney, englisches Parlamentsmitglied, Philanthrop, Apostel des ewigen Friedens.
Charlottenburg, den 2. Juli 1893. W. Liebknecht.

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