Köln 1848-1850 in Augenzeugenberichten.

Die Korrespondenzen des Lehrers Alexander Günther in der Hamburger Modezeitung „Jahreszeiten“


Copyright © 1998 by Jürgen Herres. Veröffentlichung in: Geschichte in Köln Nr. 44, 1998, S. 71–137.

    Dokumentation

Die Revolution von 1848 war auch eine Kommunikationsrevolution.1 Erstmals war die deutsche Presse frei von staatlichen und wirtschaftlichen Fesseln. Die Presse erlebte einen ungeheuren Aufschwung. Zahllose kleinere und größere Zeitungen wurden gegründet. Die bereits bestehenden Blätter wurden politischer und steigerten ihre Auflagen. In Köln entstanden neben der „Kölnischen Zeitung“ in rascher Folge die von Karl Marx geleitete „Neue Rheinische Zeitung“, die „Zeitung des Arbeitervereins zu Köln“ und die katholische „Rheinische Volkshalle“ sowie eine Reihe von Lokal- und Vereinsblättern. Die Zahl der Zeitungen in ganz Deutschland schätzt man für das Jahr 1849 auf etwa 1700.2 Die Nachfrage nach Nachrichten und Informationen aller Art, nach kurzen Meldungen sowie ausführlicheren Berichten und Reportagen, wuchs explosionsartig. 1848 richteten fast alle politischen Vereine Lesezimmer ein, in denen Bücher und vor allem zahlreiche Zeitungen und Atlanten auslagen. Gegen Abend las oft ein Führungsmitglied aus den Tagesblättern vor und erklärte schwierigere Sachverhalte.

Für die Geschichtsschreibung der Revolution von 1848/49 sind die unzensierten Zeitungen eine höchst interessante und sogar unverzichtbare Quelle. Hier finden sich neben der politischen Berichterstattung auch ausführliche Protokolle der zahllosen Volks- und Vereinsversammlungen, Nachrichten über soziale und wirtschaftliche Proteste sowie Diskussionen im Haupt- oder Anzeigenteil über politische, konfessionelle und soziale Fragen. Der Zeitungswissenschaftler Salomon lobte deshalb bereits im Jahre 1900 den geheimnisvollen „Zauber“ der Zeitungen. Aus ihren „vergilbten und vermoderten Blättern“ spreche das „so mannigfaltige und weitverzweigte Leben“. In ihnen spiegelten sich die Meinungen und Einstellungen der Zeitgenossen.3

Eine besondere Gattung von Zeitungsartikeln stellten Korrespondenzen dar, also Beiträge, in denen in Köln lebende Journalisten für auswärtige Zeitungen über Kölner Ereignisse berichteten. Diese Korrespondenzartikel waren oft anschaulicher und vor allem erklärender als Berichte, die direkt für das lokale Publikum geschrieben wurden. Aus dieser Tatsache rührt auch der Reiz der Kölner Korrespondenzen, die in den Jahren 1848 bis 1850 meist monatlich in der Hamburger Modezeitschrift „Jahreszeiten“ erschienen. Sie sind bisher unbekannt oder zumindest als Quelle für die Geschichte der Revolution von 1848/49 in Köln unbeachtet geblieben.4

Wer stillte 1848 den Wissenshunger? Wer belieferte die Zeitungen mit Beiträgen, mit Zuschriften und Meldungen? Wer schrieb die Korrespondenzen und Reportagen? Es handelte sich dabei um eine wachsende Gruppe von Literaten, Schriftstellern, Journalisten und Gelegenheitspublizisten, um arbeitslose oder unterbeschäftigte Akademiker, Justizanwärter und Lehrer, teilweise aber auch um Handwerker und Arbeiter, die durch Wanderschaft und politische Praxis ihren Wissenshorizont erweitert hatten.

Viel zu selten kennen wir die Frauen und Männer, die sich hinter den Korrespondenzzeichen verbargen. Zeitungsartikel trugen in damaliger Zeit in der Regel keine Überschriften. In den seltensten Fälle wurden sie von den Autoren namentlich gezeichnet. Nur aufgrund vorangestellter Korrespondenzzeichen, also beispielsweise: *** Köln, 5. März, läßt sich vermuten, welche Artikel zumindest von einem bestimmten Autor geschrieben wurden, ohne daß allerdings deshalb die Idendität dieses Autors bekannt sein muß. Bis auf wenige Ausnahmen sind die Redaktions- und Verlagsunterlagen der Zeitungen des 19. Jahrhunderts nicht überliefert. So läßt sich also nur in seltenen Fällen aufgrund der überlieferten Rechnungsbücher feststellen, wer sich hinter den jeweiligen Korrespondenzzeichen verbarg. Zu diesen wenigen Ausnahmen gehören vor allem die Augsburger „Allgemeine Zeitung“ im Verlag Cotta und die Leipziger „Deutsche Allgemeine Zeitung“ im Verlag Brockhaus. So läßt sich heute noch feststellen, daß aus Köln beispielsweise die Frauenrechtlerin und Sozialistin Mathilde Anneke sowie der liberale Rechtsanwalt Joseph Gerhard Compes und der Feuilletonchef der „Kölnischen Zeitung“ Levin Schücking regelmäßig für die Augsburger „Allgemeine Zeitung“ berichteten.5 Für die Leipziger „Deutsche Allgemeine Zeitung“ schrieb aus Köln beispielsweise der Gerichtsassessor Hermann Becker, der „rote Becker“ und spätere Kölner Oberbürgermeister.6 Allgemein bekannt war allerdings, wer sich in der „Kölnischen Zeitung“ hinter den drei Sternchen *** verbarg, nämlich der Chefredakteur Karl Heinrich Brüggemann. Wer aber beispielsweise die eindrücklichen Berichte über die Kölner Revolutionsereignisse im „Frankfurter Journal“, in der „Trierischen Zeitung“ oder im „Bonner Wochenblatt“ schrieb, läßt sich heute nicht mehr feststellen. Der Eitelkeit des Kölner Korrespondenten der „Jahres­zeiten“ ist zu verdanken, daß seine Idendität ermittelt werden kann.7 Es handelte sich um den aus Rees stammenden Lehrer Alexander Günther.8

Aus den monatlichen Korrespondenzen Alexander Günthers in den „Jahreszeiten“ ergibt sich ein relativ umfassendes   stark subjektiv gefärbtes   Bild der Revolution in Köln. Günther beruft sich immer wieder auf seine früheren Artikel und setzt mit seiner Schilderung jeweils dort ein, wo er zuvor aufgehört hatte. Der Autor schreibt aus einer kritisch distanzierten Position heraus, wobei jedoch seine Sympathien eindeutig der Linken gehörten. Die Konstitutionellen kommen in seinen Berichten nur am Rande vor und kommen in der Regel schlecht weg. Einen besonderen Reiz erhalten die Korrespondenzen nicht zuletzt durch ihren Briefton. Immer wieder wandte sich Günther direkt an seine ‘schönen’ Leserinnen, an die Mode interessierten Frauen.9 Erstaunlich ist, daß er trotz seines weiblichen Publikums den Aktivitäten Kölner Frauen in der Revolution von 1848 keine Aufmerksamkeit widmete. Sieht man von einem kurzen Bericht über Mathilde Annekes Frauen-Emanzipationszirkel ab, schnitt Günther seine Berichte nicht ‘frauenspezifisch’ zu - was sich ja in einer Modezeitschrift durchaus angeboten hätte.

Die „Jahreszeiten“ waren 1842 zunächst unter dem Titel „Hamburger Neue Mode-Zeitung“ erschienen, ab 1843 (bis 1854) trug die Zeitschrift dann die Bezeichnung „Jahreszeiten. Hamburger Neue Mode-Zeitung“. 1855 erhielt sie den Untertitel „Unterhaltende Zeitschrift für Literatur, Kunst und öffentliches Leben“, der 1858 erneut verändert wurde in „Zeitschrift für Literatur, Kunst und gesellschaftliche Unterhaltung“. Unter der Redaktion von C.F. Vogel vereinigte das Blatt - wie es in einem „Prospectus“ von 1845 hieß - „die verschiedenartigsten Elemente in sich“. Erstens wollte das Blatt der Mode „von wirklichem Nutzen“ sein. Dies wollte man durch die schnelle Lieferung von „Pariser Original-Modebildern“ erreichen. Entsprechend finden sich auf der ersten oder den ersten beiden Seiten der Zeitschrift aufwendig gemachte, farbige Modezeichnungen. Zweitens hatte das Blatt einen „literarischen Theil“ mit Erzählungen und Gedichten. Daran schloß sich drittens ein „kritische Theil“ an, in dem „die neuesten Erscheinungen der Unterhaltungsliteratur regelmäßig jede Woche“ besprochen wurden. Einen Überblick über die neuesten Nachrichten aus Kunst und Kultur sollten schließlich wöchentliche "Correspondenzen" aus Paris und Berlin geben. Monatlich wurde aus Altona, Braunschweig, Kassel, Dresden, Frankfurt, Hannover, London, München, Oldenburg, Schwerin, Stuttgart, Weimar und Wien berichtet. Bereits vor 1848 wurde in den Korrespondenzen auf politische Ereignisse eingegangen. Eine liberale Richtung herrschte dabei vor.10 Daß in einer Modezeitschrift ausführliche politische Berichte abgedruckt wurden, ist bemerkenswert. Sie unterschieden sich nicht von Berichten in anderen Zeitschriften.

Die Korrespondenzen Alexander Günthers in den „Jahreszeiten“ setzten vor Ausbruch der Revolution mit Nr. 10 vom 1. März 1848 ein. Die erste Korrespondenz trägt das Datum: 12. Februar 1848. Ende 1850 erschien die letzte Korrespondenz. Über einen Zeitraum von drei Jahren berichtete Alexander Günther monatlich aus Köln über Geschehnisse in Kultur, Gesellschaft und Politik. Aus Platzgründen können die Korrespondenzen in dieser Zeitschrift nur in Auszügen und nur in zwei Teilen dokumentiert werden. Kürzungen werden in der folgenden Dokumentation mittels des Zeichens [...] gekennzeichnet, Ergänzungen werden in eckigen Klammern wiedergegeben. Der Briefcharakter der Korrespondenzen wurde weitgehend erhalten, also die direkte Ansprache an die Leser und Redewendungen, mit denen der Autor die Leserinnen und Leser ansprach. Auf eine Anpassung der Rechtschreibung wurde verzichtet. Verändert wurde lediglich an einigen Stellen die Zeichensetzung, um die Lesbarkeit zu verbessern. Zu berücksichtigen ist, daß im 19. Jahrhundert trotz zahlreicher Anstrengungen zur Vereinheitlichung und Verbesserung der Rechtschreibung die „Schreibwillkür“ groß war, wie 1861 ein Königsberger Literaturprofessor in einem Lexikonartikel festhielt. Bereits damals wurden „die Schwankungen und Willkürlichkeiten in [der] deutschen Rechtschreibung ... als schwerer Übelstand empfunden.“11 Auf eine Kommentierung der von Alexander Günther geschilderten Revolutionsereignisse wurde verzichtet. Eine neuere Darstellung der Revolution von 1848/49 in Köln findet sich in meinem jüngst erschienen Buch: 1848/49 - Revolution in Köln. Im nächsten Heft von „Geschichte in Köln“ wird die Dokumentation der Korrespondenzen Günthers fortgesetzt.

Dokumentation

1848, Nr. 14, 29.3.1848, Sp. 564-565. Köln. Den 19. März. Die politische Stimmung am Rheine.

[...] Als Louis Philipp jene geheimnisvolle und eilige Excursion von Paris unternahm und nun eine Komödie anhub, auf deren Entwicklung besonders Deutschland gespannt war, und als das Rechtsbewußtsein in unsern Nachbarstaaten Muth fand, sich in Worte zu ergießen, da wurde auch in der Rheinprovinz nicht wenig Papier zu Petitionen verwendet. Köln mußte natürlich den Tanz eröffnen helfen, so meintens auch Herr v. Willich, der vom Artillerie-Offizier zum Zimmerer-Lehrling avancirte, und mit ihm die Herren Anneke, früher Lieutenant, und Gottschalk, Dr. med.

Es war am 3. d. M. [März], als dieses Kleeblatt am hiesigen Rathaus, wo der Gemeinderath gerade Sitzung hielt, erschien. Es hatte sich bald ein Gefolge von einigen Tausend Mann, meistens der arbeitenden Klasse angehörend, eingefunden. Jetzt wurde verlesen, welche Forderungen die Zeit bedinge, darnach entstanden Reden und Diskussionen, man legte dem Gemeinderath die ‘Forderungen’ des Volkes vor, debattirte hin und her und wieder zurück, uns den polnischen Landtag wenigstens en miniature zu veranschaulichen. Als die Geschichte recht in Schwung gekommen, fing das Kalbfell in einer Seitenstraße an zu reden12 und die Töne klangen der Versammlung so furchtbar, daß es von mehren Seiten sehr kläglich hieß: Gott steh uns bei, wir sind verrathen, und „Hep, hep! gings über Stock und Stein / In sausendem Galopp.“

Mit dem Verrath hatte es nun sehr wenig zu bedeuten, denn es waren zwei Ausgänge vom Rathausplatz unbesetzt, dahin drängten sich die Massen und ich mit. Nichts hielt uns auf in unserer schleunigen Flucht, als hin und wieder ein Bollwerk von Überlaufenen und mich ein Hut, in den ich getreten und dem es auch nicht geheuer auf dem Felde vorkommen mochte, so fest klammerte er sich an mich.

Der Stadtrath blieb besonnen, er versprach dem Volke, seine Wünsche an den König zu befördern, einer von den Herrn wollte sich in diesem kritischen Moment herausthun und dem Volke zeigen, daß er nicht auf den Kopf gefallen, d.i. er zerbrach beide Beine, als er während des Tumults zum Fenster hinaussetzte. Ob er gemeinschaftliche Sache mit dem sich zurückziehenden Volke oder den anrückenden Soldaten zu machen geneigt war, das ist zur Stunde noch ein tiefes Geheimnis.13

An diesem Tage wurde von Willich und des andern Tages Anneke und Gottschalk verhaftet. Es hängt von der nächsten Zukunft ab, wie sich ihr Prozeß gestalten wird, gehen ihre Anträge, die in ganz Deutschland ihr Echo gefunden, durch, dann werden sie wohl wenig zu fürchten haben. Jedenfalls aber war der Weg, den sie einschlugen, gesetzwidrig. In sehr Vieler Herzen fanden ihre Ansichten Sympatien. Aber die Weise ihrer Demonstration hieß man nicht gut, nahm sie sogar von manchen Seiten mit Indignation auf.

Von diesem Tage an folgte eine Bürgerversammlung der andern und die Petitionen aus den verschiedenen Städten am Rheine und landeinwärts nahmen täglich zu, ein Staat nach dem andern stromaufwärts willfahrte den Wünschen der Unterthanen; auch bei uns verbreitete sich die Nachricht, die Censur sei im Herrn entschlafen. Der Jubel darob war groß, doch zeigte es sich bald, daß die Kindtaufe, die man der Wiedergeburt der Presse zu Ehren hielt, eher da war, als das Kind selbst.

In den letzten Tagen hört man nur von Kriegen und Kriegsgerüchten, wären es nur nicht die Vorzeichen des jüngsten Tages, bräche nur bald ein junger Tag an; hoffen Sie nur nicht, daß ich mich über die Gerüchte, über im Umlauf gekommene Pasquille14 und namenlose Briefe verbreite, Sie haben die Schrauben an Ihrer Presse abgenutzt und würden haarklein drucken, was ich vielleicht beweisen sollte und nicht könnte; da ich nun einmal nicht Mutius Scavol oder Arnold von Winkelried15 getauft worden, sondern schlicht weg Andres heiße, ohne Hofer16 zu sein, so lasse ich das auf sich beruhen.

Es ist gewiß höchst nöthig, daß die Sache eine andere Gestaltung annimmt, selbst die lauesten Gemüther sind warm und das in einem hohen Grade die arbeitende Klasse, die, was sehr gefährlich ist, grade jetzt nicht arbeitet, sie müßte beschäftigt werden, daß sie die unsinnige Idee zu einem Feldzuge gegen das Maschinenwesen vergäße und daß ihr Blick von der Kluft zurückgezogen würde, die sich allmählig öffnete zwischen der Bourgeoisie und dem Proletariat, - vor Allem thut es noth, dem überhandnehmenden Pauperismus kräftig entgegenzuarbeiten. Unser Gemeinderath ist vor einigen Tagen nach Berlin gereist, um dem Könige die Sachlage am Rhein getreu darzustellen, man ist sehr gespannt auf das Resultat dieses Schrittes, es hängt viel davon ab. Was mich anbelangt, so zweifle ich nicht an einem erfreulichen Erfolg. Vorgestern und gestern bildeten die möglichen Muthmaßungen über den Gegenstand das Stadtgespräch, bis die ersten Nachrichten von Wien hier eintrafen. Ich war eben in einem Caffee und es ist unmöglich, die Bewegung zu schildern, welche dieses ganz unerwartete Ereignis zu wege brachte, das war in Österreich geschehen! Der Enthusiasmus wurde so allgemein, daß ein anwesender Maler dessen Name in Deutschland einen hellen Klang hat, auffuhr aus seinem lethargischen Zustande, in welchem er schon eine geraume Zeit beharrte und exaltirt, wenn auch, wie weiland Moses mit etwas schwerer Zunge die Worte sprach, indem er seinem Lieblingsworte „Fluch England, Fluch Oesterreich“ zur Hälfte verlor: „Das hat Oesterreich gethan? Doch so mußte es nach dem letzten Censurgesetz kommen, quae nocent, docent.17 Segen diesem Lande! Jetzt wird es auch mit uns besser, jetzt Herr, magst du deinen Diener in Frieden fahren lassen.“ Er wurde wieder ruhiger und nach einer halben Stunde fuhr er wirklich --- unter den Tisch.

Ich glaube der Mann hat so unrecht nicht, es wird besser, die meisten Staaten sind schon theilweise zufrieden gestellt, der unsrige wird’s auch.- A.

1848, Nr. 19, 3.5.1848, Sp. 757-760. Köln. Den 21. April. Die politische Stimmung am Rhein. II.

Das Wetter, welches an Deutschlands politischem Horizonte aufstieg und sich schon seit einer Reihe von Jahren ausbildetet, ist endlich reif geworden, hat laut gegrollt und auch hin und wieder eingeschlagen; aber segenspendend ist dasselbe durchs ganze Land gezogen, nur schade, das es einschlagen mußte, Germanien hätte sonst der Geschichte die schönste Revolution übergeben - eine blutlose. Frankreich, das wir an intellectueller Bildung eben so sehr überragen, als wir in politischer Beziehung ihm untergeordnet sind, durfte uns den Impuls zum Umschwunge angeben, wir mußten ihm das Mal folgen; aber Wien und Berlin hätte die Action nicht so treu copiren sollen, das Blut hätten wir den beiden Residenzen so gerne erlassen; wir wollen nicht ferner darüber rechten, die Ernte, welche die rothe Aussaat trieb, wiegt die Opfer auf. Wenn die Morgenröthe des Hochzeittages heraufdämmert, dann vergißt die Braut die Wetter, die ihren Liebeslenz durchzogen, sie weint zwar, aber es sind nur Freudenzähren18. So möchten wir Thränen vergießen an jenen Gräbern, über die die Freiheit, die so lange und schwer gekränkte, hinschritt, sich mit dem Vaterlande zu vermählen, dort sollten wir niederknien und dem Lande, das uns zeugte und groß zog, den heil. Schwur darbringen, daß wir uns, wenn es Noth thut, freudig zu den Gefallenen zu legen entschlossen sind; doch wir wollen fest hoffen, daß unsere Fürsten das nicht wünschen, daß sie den Gedanken an eine Reaction keinen Vorschub leisten; Louis Philipp hat diesen Frevel an seiner Nation begangen, er hat gebüßt, - sein Thron ist zersplittert und er ist hinausgestoßen vom heimatlichen Heerde. Deutschland darf keine Julirevolution durchgemacht haben, Deutschland darf keine 17 Jahre hinter Frankreich zurückgeblieben sein, Deutschland muß frei sein und frei bleiben und das kann es, gleichviel, ob als constitutioneller oder republikanischer Staat, - es kommte nur auf die Fürsten an.

Was die Frage über die zukünftige Staatsform betrifft, so theilt man sich am Rheinstrome in zwei Fractionen, von denen diejenige, welche der Constitution das Wort redet, bei Weitem die überwiegende ist, was die Aufstellung erhärtet, daß unser Vaterland zur Zeit noch nicht reif ist zur Republik. Entschiedener wie hier unten, spricht man sich oben am Rheine, in Baden vorzüglich, für diese Regierung aus. Es läßt sich aber ziemlich bestimmt, ohne eminente Sehergabe voraussehn, daß die Constitutionellen den Sieg davon tragen werden, denn diese haben außerdem auch noch die Versammlung der Fünfzig in Frankfurt als Streitgenossen.

Die Stellung der Republikaner den Constitutionellen gegenüber war für jene eine höchst schwierige; diese agirten in der That oft mit ganz unwürdigen Waffen, jene glaubte man durchaus nicht dulden zu dürfen. Es ist das ein Argument, daß Viele die Zeichen der Zeit noch nicht verstehen, religiöse Freiheit wollen Alle, die politische Toleranz erkennen nur Wenige an. Willich und die andern Gefangenen, von denen ich Ihnen in meinem letzten Schreiben Mittheilung machte, wurden nach der Amnestie mit der Bemerkung (sic!), es fehle an den erforderlichen Beweisgründen für ihre Schuld, außer Anklagezustand gesetzt; dadurch besserte sich ihre Lage um kein Haar, denn als sie der Staat entließ, verfielen sie der Volks-Justiz der Intoleranten, die im Volke grundlose Verdächtigungen ausstreuten, so daß Willich es gerathen fand, unsere Mauern bald zu verlassen; auch gegen Dr. D’Ester, ein Mann, der sich durch seine wissenschaftliche Bildung und seine Rhetorik schon vor Jahren Achtung und Popularität errang, zog man zu Felde, aber wie scharf man ihn auch hetzte, er verließ die Stadt nicht, und ging bald siegend aus der Parforce-Jagd hervor. Der Tag zur Wahl der Volksvertreter für die Nationalversammlung rückt heran; es sind schon mehre Wahlprogramme in Circulation gesetzt worden, nach der Reihe traten die Bourgeoisie und die Demokraten auf und die Socialisten sind auf dem Wege, um wahrscheinlich die zweite Partei ins Schlepptau zu nehmen und ersterer nachträglich eine Nase [zu] drehen.

Ein vollständigeres und schärferes Programm derjenigen Bedingungen, unter welchen man die künftige Verfassung errichtet wünscht, wie dasselbe im Saale des Stollwerkschen Kaffeehauses entworfen wurde, dürfte so leicht nicht zu finden sein, ich führe Ihnen nur den Fundamentalsatz an: Man will die Einführung von „constitutionellen Verfassungen auf Grundlage der Volkssouverainität“ und als nothwendige Folge dieses Grundsatzes, „daß der constitutionellen deutschen National-Versammlung die Festlegung der zukünftigen Staatsform Deutschlands, und der constituirenden preußischen Versammlung die Bestimmung des Verhältnisses zwischen dem Könige und dem preußischen Volke unter den durch die National-Versammlung in Frankfurt a. M. zu gebenden Beschränkungen zu überlassen sei.“ Daran schließen sich siebzehn Bedingungen, die so umfassend sind, daß gewiß nicht alle mit einem constitutionellen Staate vereinbar sind.

Als unsere ersten Redner bezeichne ich Ihnen Heinrich Bürgers, C. Cramer (Literaten), Dr. D’Ester, Medicus, Schneider II., Jurist, und Schützendorf, Schustermeister. Der letztere hat das Sprichwort: „Sutor, ne ultra crepidam,“19 mit einem glücklichen Erfolge an sich zu Schanden gemacht, wiewohl sich hier noch eine große Anzahl von Rednern vorfindet, die über ihm steht, so ist es ihm doch gelungen, sich zu einem der einflußreichsten Volksmännern emporzuschwingen, es bedurfte nur einiger Reden und er war schon so populär, daß man ihn der Deputation nach Berlin beigesellte.

Als Volksrepräsentanten für die künftige Versammlung dürfte man wohl, was eine politisch-gründliche Bildung mit einer hinreißenden Rednergabe angeht, keine würdigeren Kandidaten hierselbst auffinden als Bürgers und D’Ester, die auch schon mit zu Frankfurt waren, aber von dort zurückgeschickt wurden, weil, - nun, man weiß schon warum, - ihr Credo mißfiel der Menge. Wenn man bis zum Wahltage die unsinnige Furcht vor dem Communismus und die fabelhaften Schreckgestalten, die sich hier über die Republik gebildet, eingebüßt hat, dann wird Köln gewiß wenigstens einen tüchtigen Tribunen haben. Man sollte nur nicht so ängstlich sein! Mit dem ersten Gespenst ist ein baarer Unsinn, wiewohl wir den Vertretern dieser in der Idee schönen Lehre sehr viel zu verdanken haben und die Republik, mit der ist’s so ernst nicht, ihre Realisation liegt noch in weiter Zukunft, wenn die Fürsten es nicht anders wollen. Die Bewegung hat sich noch nicht gelegt, sie dauert fort und hat bereits alle Schichten und Stände der Gesellschaft ergriffen. Einige Male hatte man auch hier Ursache zu ernsten Besorgnissen, besonders da, als gegen 1000 Sträflinge sich aus dem Arresthause zu befreien suchten20, doch ist es der Behörde, von der Bürgergarde unterstützt, bis jetzt gelungen, jedem Exzeß vorzubeugen; ob es ihr aber auch für die Zukunft gelingt, das ist noch sehr fraglich, die Arbeiter, die Arbeiter! Das ist das Hauptproblem der Zeit und bis dahin ist für die Lösung so wenig geschehen. Im Wupperthale, vorzüglich in und bei Solingen, sind schon manche Fabriken der Wuth des Volkes unterlegen; die Schiffzieher am Strome machten Jagd auf die Schleppdampferschiffe; andere Arbeiter wollten mehr Lohn und weniger Arbeitsstunden; und, um auch eine von vielen Lächerlichkeiten anzuführen, die Barbiere wollen es durchaus nicht weiter gestatten, daß man Bärte trägt oder sich selbst rasirt. [...]

Mit Spannung und mit Bedauern verfolgt man den Kampf, den Schleswig-Holstein kämpft. Was helfen die Geldbeiträge, die für die gerechte Sache veranstaltet werden, was die Frei-Corps, die vom Rheine dorthin ziehen, wenn die unthätig bleiben, die vielleicht mit einem energischen Schlage ein Brudervolk befreien könnten? Das ist aber die alte Geschichte! Gestern hatte der Michel die besten Vorsätze von der Welt, heute, wo er handeln sollte, schläft er und morgen möchte er sich den alten Zopf ausraufen, - das heißt im vorigen Jahre schrieben wir den Geliebten zahllose und rührende Adressen, dieses Jahr lassen wir die Theueren schlachten und künftiges Jahr dichten wir den Armen sentimentale Sterbegesänge. -

1848, Nr. 24, 7.6.1848, Sp. 959-961. Köln. Den 20. Mai.
Die Wahlen der Volksvertreter. Karrikaturen, neue Zeitungen und Zeitungsprojekte. Demonstrationen gegen die Zurückberufung des Prinzen von Preußen. Liederbuch für die Bürgerwehr.

Der Wahlkampf für die einzelnen Volksrepäsentanten war heiß. Die Konservativen haben das Feld behauptet und die Demokraten einen vollständige Niederlage erlitten; dabei ist es merkwürdig anzuschauen, wie ruhig sich diese verhalten, sie sind heiterer wie sonst, und behaupten steif und fest, daß sie gesiegt hätten, was sie durch die Aufstellung zu rechtfertigen suchen, unsere Stadt müsse sich erst einmal recht vertreten, ehe sie es gestatte, daß würdige Männer ihre Sache würdig verträten. Es ist das eine, wie es schon den Anschein zu nehmen beginnt, sehr sanguinische Hoffnung, ihre Zeit dürfte vielleicht noch in fernerer Zukunft liegen, wie man sichs vorstellt; denn wenn man dem Streben der Reaction Schritt für Schritt folgt, dann gewahrt man die Hoffnung schon sich in unsichere Nebelbilder gestalten. Wer weiß, was noch Alles geschehen wird, ehe der Feierabend der Freiheit heraufdämmert? Man stelle sich nur ja nicht vor, daß sie mit der Palme ihren Einzug halte! Die Zeit hat sie empfangen, wann wird deren Stündlein ausheben? Vielleicht erst, wenn die Zustände der Völker beinahe unheilbar geworden oder wenn eine Nation wider die andere im Kampfe entbrannt ist; dann wird sie convulsivisch unter den gräßlichen Gewurtswehen ringen und dann -- ... - Kann dann nicht der böse Geist, den wir bedräuen, wiederkehren und noch sieben andere Geister mitbringen, die schlimmer sind, denn er, und das Kind ermorden? Möge ein guter Geist über uns und unsere Sache wachen!

Als Abgeordnete wurden gewählt: Der Erzbischof, Minister Camphausen (für Berlin), und (für Frankfurt) F. Raveaux, Kaufmann in Taback [...]. Wie Köln in Berlin vertreten ist, daß überlasse ich dem gesunden Urtheile des Leserkreises dieser Blätter, denn jene Abgeordneten sind öffentliche Charakter; so mögen Sie sich auch selbst eine Ansicht bilden über den dritten Tribunen aus folgenden einer längeren Rede entlehnten Fragmenten, welche Raveaux am Wahltage hielt, sie lauten: „Die Bürgerschaft Kölns hat heute einen großen Sieg errungen. Vergeßt nie diesen schönen Tag. Es ist heute der 10. Mai, - der 10. Mai lebe hoch! - - - Köln hat heute bewiesen, daß es einen kräftigen Bürgerstand besitzt. Ihr habt Recht daran gethan, daß ihr mich als eueren Vertreter zu der großen Versammlung nach Frankfurt gewählt. --- Die heutige Wahl wird überall Freude erregen. Man wird von dem Kölner sagen, daß er sich gesinnungstüchtig bewiesen hat und sich durch keine Intrigue (ho, ho!) verleiten ließ, irgend einen klangvollen Namen zu wählen. -- Ihr wähltet einen Mann, der treu, ehrlich und bieder ist.“

Unsere Zeit ist gerade geeignet zu Flugblättern, Karrikaturen und neuen Zeitungen. Was erstere betrifft, so sind deren sehr viele erschienen, von denen sehr wenig zu sagen ist, weshalb ich dieselben für dieses Mal übergehe. In den Zerrbildern liegt sehr wenig Spott, ich verweise nur auf diejenigen, welche aus dem Achenbachschen Atelier uns überfluten; anstatt dort Humor oder würdigen Sarkasmus zu begegnen und erheitert zu werden, kann man sich über die Verirrung des sonst tüchtigen Meisters kaum der Entrüstung entschlagen. [...] Weit praktischer erscheint mir für die Gegenwart Kleinenbroichs Product in diesem Genre (der Zukunft und dem vierten Stande) wo wir die besitzlose Klasse im Streite finden mit der besitzenden; der Gegenstand liegt uns weit näher, als der, welchen die früher angeregten Bilder behandeln. Der Maler zeigt uns, wie in beinahe allen seinen früheren Bildern, daß er die Krebs­schäden der Zeit erkannt.

Hier am Orte sind erst zwei neue Zeitungen aufgetaucht, ich sage erst zwei, denn wenigstens drei bestehen noch im Projekte. Neben den „freien Volksblättern“ und der „Arbeiter-Zeitung“ sind noch in Aussicht gestellt: „Die Rheinische“, welche H. Bürgers redigieren wird, „der Eulenspiegel“, ein humoristisches Blatt, und eine Zeitung von C. Kramer, der es sich zur Aufgabe stellen wird, die Interessen der Stadt vorzüglich zur Sprache zu bringen. Es wird den neuen Erscheinungen schwer ankommen, einen entschiedenen Erfolg zu erringen, die Kölner Zeitung ist zu mächtig geworden, sie zählt bereits beinahe 18.000 Abonnenten und der Redakteur Dü-Mont hat Männer um sich versammelt, unter denen sein Blatt nur blühen kann; ich nenne nur Levin Schücking, der uns in diesen Tagen mit einigen recht braven leitenden Artikeln nach seiner Zurückkunft aus Italien begrüßte, - ferner v. Wolfers, Brüggemann und Dr. Schwanebeck.

Seit einigen Tagen ist es wieder recht lebendig zwischen unsern Mauern gewesen; man hielt Versammlungen, um Protest einzulegen gegen die Zurückberufung des Prinzen von Preußen, und den Rücktritt des Ministers Camphausen zu beantragen; an vielen Plätzen der Stadt hatte man Schreibtische aufgepflanzt, Unterschriften zu sammeln, deren man in wenigen Stunden schon 15.000 zusammengebracht.21 [...]

1848, Nr. 27, 28.6.1848, Sp. 1077-1079. Köln. Den 22. Juni. Kriegerische Anstalten. Gerücht über den Pfingst-Montag. Gesetzlosigkeit.

Bei uns beginnt es einen kriegerischen Anblick zu gewinnen. In den Landen am Rhein soll man bereits ein Drittel der preußischen Armee finden und mehre Truppentheile vermögen in wenigen Stunden vermittelst der Eisenbahn dorthin entboten werden; die Festungen zu armiren ist man emsig beschäftigt. So auch hier. In und um den Forts ist man sehr thätig, in den Gräben sind schon Pallisaden aufgepflanzt, Kanonen sind hinausgefahren worden, wie man behauptet, mit umwickelten Rädern zur Nachtzeit. Sie können es sich leicht erklären, daß man aus diesem Manoeuvre die verschiedenartigsten Dinge argumentire; dieser glaubte die Russen, jener die Franzosen im Anmarsche, andere prophezeihten, daß seitens der Reaction ein entschiedener Schlag vorbereitet werde, und viele bekundeten unumwunden, daß die Rüstungen um Köln herum der Stadt selbst gälten, - man werde uns nächstens ein wenig beschießen. Die ‘Neue Rheinische Zeitung’, ein Organ der Demokratie, wußte das Alles genau zu berichten und ihre Leser zur Ruhe zu gemahnen auf den Pfingstmontag, weil, wie sie bestimmt präsumiren zu dürfen glaubte, das Fest zur Eröffnung des Tanzes wahrscheinlich anberaumt sei.22 Es hatte sich eine ungewöhnliche Bewegung der Bevölkerung bemeistert. Bei dieser Gemüthsverfassung wäre es nicht staunenswerth gewesen, wenn sich eine oder die andere tumultuarische Scene entwickelt hätte. Die Demokraten und Gottschalk, der Präsident des Arbeiter-Vereins, warnten vor derartigem und mit Erfolg. Was das muthmaßlich in Aussicht gestellte Bombardement betrifft, so habe ich die Ehre, entschieden der entgegengesetzten Meinung zu sein; denn ich wüßte mich nicht zu entsinnen, welche Handlungen ein solches Verfahren rechtfertigen könnten. Wenn Köln in der letzten Woche und am vorigen Sonntage Barrikaden errichtete, so war das nur das Spiel unserer Schuljugend, die man, wenn durchaus Hiebe erfolgen sollen, ihren Professoren, wie sich die hiesigen Lehrer schelten lassen, anempfehlen muß; [...] höchstens trifft uns der Vorwurf, daß wir merkwürdig viele Proteste und Petitionen vom Stapel laufen ließen und daß hin und wieder einmal Einer hinter seinem Bierglas laut zu denken beginnt in Folge seiner künstlichen Inspiration; aber dergleichen wird man uns nicht entgelten lassen, wenn anders noch nach der Revolution die alten Sprichwörter giltig sind, von denen eines sagt:

„Was Kinder, Narren und Benebelte sagen,Darnach darf der Weise nimmer nichts fragen.“

Die Conservativen desavouiren dergleichen aber durchaus, besonders übel sind sie zu sprechen über die Demokraten und die Arbeiter, gegen die sie bei jeder Gelegenheit den Staub abschütteln, da sie in ihrem Wahne meinen, der Status in quo werde erst dann wieder eintreten können, wenn der Staat alle diese Leute in Logis nehme; diesen philantropischen Wunsch werden aber unsere Regierungen zu erfüllen Anstand nehmen, das Gegentheil hieße einen Staatsbankerott muthwillig heraufbeschwören, denn der Demokratismus und der Pauperismus sind zu weit verzweigt, als daß man rücksichtslos gegen beide einschreiten könnte. Hätte man nur bald jene Partei zufrieden gestellt, suchte man nur recht schnell die drückende Lage der Arbeiter zu erleichtern; es ist schwer besonders schwer, diese zu sühnen, wenn der Staat ihnen nicht hilft, dann möchten die Zustände sich sehr bedenklich gestalten, denn die Bildung, das Rechtsbewußtsein und die Forderungen gewinnen in den untersten Schichten des Volkes stündlich mehr und sicheren Boden. Das verbürgen uns die vielen bestehenden und noch in der Entwicklung begriffenen Vereine, ich führe Ihnen nur die in folgenden Städten an: Köln, Elberfeld, Crefeld, Aachen, Trier, Hanau, Marburg, Mainz, Hamm, Minden, Frankfurt a. M., Offenbach, Pforzheim, Berlin und Leipzig. Und was die Vereine besonders kräftigt, ist der Umstand, daß sie sich unter einander verbrüdern, so soll unser Verein [der Kölner Arbeiterverein] schon mit allen angeführten in Verbindung getreten sein, nur nicht mit denen in Berlin und Offenbach.

Das Volk hebt sich in der Bildung unter den obwaltenden Verhältnissen ungemein rasch, allenthalben hat die Politik ihre Hörsäle, unter freiem Himmel und in geschlossenen Räumen, in allen Wirthshäusern, vom Hotel ersten Ranges bis zu der gemeinsten Taverne herab, allenthalben stößt man auf Leute, die sich mit den großen Fragen der Zeit beschäftigen. Vor einigen Tagen bemerkte ich im Dome einen kaum dem Knabenalter entwachsenen Jüngling, der an geheiligter Stätte sehr andachtsvoll in einer Brochüre von Heinzen betete. Deutschland schreitet [...] rasch in seiner politischen Ausbildung vor. Daran sollte man Oben und in unsern Parlamenten gedenken und das Werk der neuen Verfassung beschleunigen, damit nicht das Volk vorgreife und wir aus dem Regen in die Traufe gerathen. Es ist so schon schwül genug; denn die Ruhe, welche in den Fluren herrscht, die der Rhein durchwallt, ist nichts weniger als beruhigend, sie ist die ernste und feierliche Grabesstille, welche in den Lüften lagert vor jenen heftigen Gewitterausbrüchen - eine schreckliche Ruhe! Es kann nicht anders, als zum Ausbruche kommen, wenn der Bau nicht bald aufgeführt ist, der alte gesetzliche Boden schwindet mehr und mehr; die Belege hierzu treten schon deutlich hervor, von denen ich Ihnen nur den einschalte, daß das Volk den Gerichtsvollziehern die Ausübung ihrer Pflichten sehr erschwert, vielleicht in den nächsten Tagen durchaus unausführbar macht. Das schreibt sich aus ganz natürlichen Gründen her. Die Gewerbe und besonders die Arbeiten stocken nun schon seit Monaten; die Leute, sowohl im Mittelstande als in der arbeitenden Klasse, sind zahlungsunfähig und die Subhastationen würden sich häufen und somit den Ruin vieler Familien ernstlich anlassen, wenn man nicht schon dagegen ernstlich protestire. Jetzt hat man schon begonnen, sich zusammenzurotten auf den Plätzen, wo die Gegenstände zum Verkauf ausgestellt sind, dieselben um einen Spottpreis anzusteigern, um sie dann dem Eigenthümer zurückzustellen oder zu zerschlagen, oder den executiven Gerichtsvollzieher einzuschüchtern, daß er von der Versteigerung abstehen muß. Vor einigen Tagen mußte die Bürgerwehr gerade deshalb auf den Altenmarkt entboten werden.23 Wo soll das hinaus, wenn die Behörde nicht mit aller Energie einschreitet und dem Gesetze die gebührende Achtung wieder verschafft? Wir müssen bald am Wendepunkt stehen oder die Anarchie überflügelt uns.

1848, Nr. 31, 26.7.1848, Sp. 1203-1205. Köln. Zweite Hälfte des Juli. Demonstrationen. Verhaftungen. Der Kanonier Funk und andere Demokraten aus dem Militär. Die Neue Rheinische Zeitung. Ein Kauz.

Das Bestreben, der Gesetzlosigkeit die Wege anzubahnen, von welchem ich Ihnen in Nr. 2724 eine Mittheilung machte, griff schnell weiter um sich. Jener Unfug, welcher vor einigen Jahren die bedauerlichen Augustereignisse25 herbeiführte, macht sich heuer mehr wie sonst geltend, ja, die heranwachsende Jugend will sich nicht mehr damit zufrieden geben, nur an Kirchmeßtagen mit Pistolen in den Straßen zu schießen und mit Feuerwerken ihr loses Spiel zu treiben, - das Unding ist an die Tagesordnung gekommen. Leute, die nicht Alles, was die Polizei unternimmt, aus Prinzip tadeln, hätten es nicht ungern gesehen am Feste der Domkirchmesse, wenn die Behörde gegen dieses gefahrvolle Treiben eingeschritten wäre; wir hoffen, das sie am 3. und 4. August in der Martinspfarre der Pflichten ihres Amtes mehr eingedenk sei.

Mehr wurden wir beunruhigt um das Ende des vorigen und zu Anfang dieses Monats. An zwei aufeinanderfolgenden Abenden gegen Mitternacht riefen uns die fürchterlich zarten Alarm-Melodien unserer angehenden Bürgerwehr-Hornisten hinaus, weil heute der liebe Jan-Hagel26 dem heimkehrenden Minister Camphausen seine Sympatie auf eine etwas derbe Weise zu erkennen gab und weil man sich morgen die Fenster des Regierungs-Präsidenten (!) als Scheiben bei angestellten Wehrübungen erkor.27 Unsere Hasengemüther glaubten den blutrothen Dämmerschein des letzten Tages heraufsteigen zu sehen.

Einige Tage später (am 3. d. M.) wurden am frühen Morgen Gottschalk und Anneke verhaftet. Die beiden Arrestationen hatten sich der Zustimmung des größten Theils unserer Einwohnerschaft zu erfreuen, da man die möglichen Folgen der Fraternität der Arbeiter zu lebhaft in die Gegenwart hinüberzog; aber dicht neben diesem Jubel zog von Haus zu Haus die noch stärkere Furcht, weil man glaubte, der gegen 6000 Mitglieder starke Arbeiterbund werde zu Gunsten seiner Vorsteher in der Nacht einen Befreiungsversuch veranstalten. Doch der Verein war nicht unbedachtsam; denn es war vorher zu sehen bei den Vorkehrungen, die Militär und Bürgerwehr getroffen, daß ein Gewaltstreich nur zu seinen Ungunsten enden würde. Es sollten darnach noch mehre Verhaftungen stattfinden, zuerst die des neuen Präsidenten und die des Sekretärs; aber beide entfernten sich bei Nacht und Nebelgrau, wahrscheinlich zogen sie es vor, sich lieber der Gnade Heckers in der Schweiz zu überliefern, als der unsers Staats-Prokurators Hecker, darnach brannten noch andere durch. Bei dem dritten Präsidenten wurde auch schon eine Untersuchung seiner Papiere vorgenommen. Die Anklage gegen die Gefangenen soll lauten: „Die Beschuldigten haben im Laufe des Jahres 1848 Komplot zum Zweck des Umsturzes der bestehenden Regierung und zum Zweck der Erregung eines Bürgerkrieges durch Verleitung der Bürger, sich gegen einander zu bewaffnen endlich zur Verbreitung von Mord und Plünderung über die Stadt Köln gebildet, jedenfalls durch die in öffentlicher Versammlung gehaltenen Reden zur Begehung dieser Verbrechen gereizt zu haben.“

Die Behörde wird wahrscheinlich noch weiter gegen den Verein einschreiten, die allgemeine Stimmung unterstützt sie kräftig; auch die demokratische Gesellschaft, die weit und breit bekannt geworden, wird mit der Zeit Händel zu erleben haben. Das den politischen Clubb besuchende Mililtair weiß schon davon nachzusagen. Der Kanonier Funk wurde von hier versetzt, dann verhaftet; die drei Lieutenants vom 25. Infanterie-Regiment in Deutz, Wülfing, Bernigau und Faltin fanden es für gut, ihre Entlassungs-Gesuche aus dem Wehrstande einzureichen; in der letzten Sitzung trat ein Lieutenant auf und machte die Mittheilung, daß auch er am Tage seine Versetzung empfangen habe. Das Alles schreckt das Militair nicht ab, den Versammlungen beizuwohnen und sich an den Debatten zu betheiligen.

Die „Neue Rheinische Zeitung“ erscheint nun im zweiten Monate, das Urtheil hat sich beim Publikum schon entschieden einstimmig gestaltet: Sie hat nicht, wie ich Ihnen schrieb, einen, sondern sieben Redakteure, von denen ich Ihnen außer dem schon angeführten folgende noch namhaft mache: E. Dronke, Marx, G. Weerth und Wolf. Einige dieser Namen werden Ihren Lesern die Tendenz des Tagesblattes hinlänglich bezeichnen. Man war gespannt und wünschte das Journal herbei, an Actionairen fehlte es nicht und man durfte annehmen, daß die Erscheinung den besten Fortgang nehmen werde. Das hatte sich jedoch bald anders entschieden. Den Aufsätzen fehlte es beinahe ohne Ausnahme nicht an Originalität; aber alle Arbeiten geriethen dabei so leidenschaftlich, daß sie das Mißfallen, selbst der meisten Demokraten, auf die Beine bringen mußten; ein Hauptvorwurf, den sie sich zuzogen, ist der Umstand, daß sie selten einen Namen nennen kann, ohne pasquillantisch zu werden, - ohne Spitznamen scheint man nicht berichten zu können.28 Diese Richtung wurde bald einem allgemeinen Tadel unterworfen, und von den Actionairen sagt man, daß sie die Zahlungen nicht weiter leisten wollen. Da würde das Unternehmen straucheln müssen, weil 2000 Abonnenten die Kosten noch nicht decken. Es will scheinen, als ob man in den letzten Tagen anfangen wolle, sich zu moderiren. Die Behörde sitzt ihr auch schon auf dem Genick, einer Correspondenz wegen, die sie über die gemeldeten Inhaftirungen brachte.

Eine allgemeine Heiterkeit erregt das Treiben eines närrischen Drechslers von hier. Auch Ihre schönen Leserinnen, hoffentlich sind sie alle nicht uninteress[iert], werden, falls sie die Kölner Zeitung lasen, sich des Knittelversdichters Schlechter erinnern. Der Mann wird allenthalben am Narrenseil herumgezerrt und die Folge davon ist die, daß er sich einbildet, eine politische Bedeutung erlangt zu haben; deshalb trat er hier in den Vereinen auf und erntete natürlich stets gräßliche Bravos.29 Seine krankhafte Idee reifte mit jedem Tage mehr. An einem frühen Morgen war er verschwunden. Jetzt zeigt er plötzlich an, daß er zu Berlin seit dem 21. v. M. bei den Ministern um Audienz anhalte und das Parlament besuche, dem er unter den Annoncen der „Neuen Rheinischen Zeitung“ vertraute Vorschläge macht. Er verspricht dem Handwerkerstande erkleckliche Vortheile, die seine selbstangemaßte Mission erzielen werde, bittet aber auch zugleich, noch einige Nachsicht mit ihm zu haben. Warum sollten wir, nachdem wir so unermüdlich nachsichtsvoll gegen große Männer sind, aber einen kleinen ungeduldig werden? Vielleicht theile ich Ihnen nachstehend aus dem Leben dieses Don Quijote einige Züge mit.

1848, Nr. 35, 23.8.1848, Sp. 1327-1329. Köln. Mitte August. Ein Fest. Ein Fest. Ein Fest. Ein dreitägiges Fest.

Unsere Stadt hält eine große, eine sehr seltene Feier umschlungen, es läutet und kanonendonnert ununterbrochen, und in den Straßen drängt es sich. Endlich ist der Tag zur Rüste gegangen und die Leute ruhen aus von den Mühen der Feier; ich aber setze mich einsam nieder, wie es sich für den Freund geziemt, der der fernen Freunde im Rausche der Freuden nicht vergißt, ich setze mich nieder, Ihnen mitzuteilen, wie unendlich glücklich wir heute sind, wie lustig wir überhaupt in der letzten Zeit gewesen, denn sie müssen wissen, daß uns die Feste nicht ausgehen. Seit drei Wochen steckt ganz Köln schon in den Festornaten, arme Literaten allenfalls ausgenommen, da die selten mehr wie einen fadenscheinigen Rock besitzen, - also drei Wochen feiern wir schon; wir scheinen die traurigen Geschichten der Jetztzeit vergessen und machens nach gerade wie die vorsündfluthlichen Völker, essen und trinken und halten Hochzeit bis die Tage der Fluth uns hinwegspülen. Die Freiheit, der Herrgott der Gegenwart, wird wohl Geduld mit uns haben, sie hat ja so lange am Kreuz gehangen und darf sich freuen, wenn wir wieder an sie denken, da sie in den letzten Zügen liegt oder richtiger: hängt. Wir hatten auch übrigens weit Größeres zu thun, als nach ihr zu sehen, und wofür haben wir unsere Parlamente, die doch Geld genug bekommen, Wache zu stehen bei unserm leidenden Christus?

Da schickte uns z.B. der Baiernkönig vier Fenster mit Gemälden für den Dom. Die mußten wir doch abholen mit fliegenden Fahnen und klingender Musik. Erster Kanonendonner, das Glockengeläute nicht zu vergessen.

Ein paar Tage darauf beschäftigen wir uns mit dem Reichsverweser. Für den Vorabend hatte man uns das zweite Glockengeläute verheißen und auch Kanonendonner und das mal von diesem Gericht 101 Stück. Wie es gekommen ist, daß man uns um die letzte Seelenspeise betrog, das ist ein Räthsel, mit dessen Lösung man sich eine geraume Zeit die Köpfe zerbrach. So gehts aber in der Regel: „Die Corpulenz pfiff ihrem Spitz und schaute dabei in die nebelgraue Ferne, den ersehnten zu erblicken, der doch vor dem dicken Manne auf den Hinterfüßen saß, aber zu sehr von dem umfangreichen Bauche beschattet wurde, als daß sich die beiden Hunde, der spitze und der dicke, hätten in die Augen sehen können.“ Unsere Gassenjungen wissen das besser, wo sie singen:

„Infanterie ohne Patrone,Artillerie ohne Kanone,Cavallerie ohne Pferd, -Sind keine drei Heller werth.“

Hätte die Bürgerwehr Grobgeschütz besessen, dann hätte sie auch donnern können! Wir wurden aber entschädigt für den entzogenen Hochgenuß von 101 Schüssen durch den herrlichen Zapfenstreich, den die Wehrmänner veranstalteten, bei welcher Gelegenheit uns die liebe Jugend mit ihren Ellenbogen bearbeitete und den Hut einschlug. Am andern Morgen wieder Glockengeläute, feierliche Hochämter, große Bürgerwehrparade und Hoch’s auf den Reichsverweser, - eine ganze Feier, wenn nicht wieder 101 angesagte Kanonendonner gefehlt hätten. Salome hat Recht, wo er sagt: „Alles ist eitel hienieden Nichts vollkommen.“ Das war der Sonntag; am Donnerstage darauf schon wieder ein Fest! Unser Tribune Raveaux hatte zu Frankfurt Urlaub genommen, einen Triumphzug zu halten. Wenn ich Ihnen das beschreiben wollte, dann müßte ich erst wie weiland Wieland singen:

„Sattelt mir den Hippogryphen30 ihr Musen!“

Aber ich empfinde wenig Lust dazu, aufzuzählen, daß man ihn auf einem eigens dazu bestimmten Dampfer in Königswinter abholte, daß man statt des dritten Kanonendonners am Rhein die Katzenköpfe miauen ließ, daß viele Raketten verdorben wurden, daß man bengalische Flammen ihre Pracht entfalten ließ, daß man zwei Gassterne aufrichtete, wahrscheinlich die Größe R. und seines Freundes Blum zu emblematisiren, daß die Fahnen sich vom Winde belästigen lassen mußten, daß die Bürgerwehr mit ihren Musikchören einherzog, daß die Turner Fackeln mitbrachten, den Leuten die Röcke zu verbrennen, und daß die Gesang-Vereine das rührende Lied vom deutschen Vaterland gemüthlich von Anfang bis Ende absangen, - ein Lied, das man mit seinem Dichter begraben sollte, weil beide alt geworden und doch nichts mehr nützen.

Wie gerne wollte ich Ihnen diese Feier schildern, die schon so Mancher verdiente und nicht bekam, und die so Mancher bekam, der sie nicht verdiente, eine Feier, wie man sie zuweilen Fürsten bereitete, wie gern beschriebe ich’s, wenn ich nur wüßte, was der Mann gethan! Fortuna ist doch noch immer das erste Freudenmädchen in der Welt, sie wirft sich dem ersten besten Manne, der ihr in den Wurf kommt, in den Arm. -

Sie haben aus der Einleitung meines Briefes gewiß geschlossen, daß die Hauptsache noch immer nicht dagewesen ist und da haben Sie recht. Der vierte Kanonendonner nebst Glockengeläute war fürchterlich, trommelfellzersprengend, und vier Tage hat’s in Einem fort angehalten, das große Dombau-Fest. Wir erinnerten uns nämlich, daß im laufenden Monate vor vollen 600 Jahren der erste Stein zu dem herrlichen Gebäude gelegt wurde und unsere Geistlichkeit erinnert uns, daß die Dombaukasse förmlich von der galoppirenden Schwindsucht befallen wurde31, - da mußte das Fest glänzend begangen werden, da mußte ganz Deutschland aufmerksam gemacht werden, daß es im Begriff stehe, zu vergessen, wie es sich vor 6 Jahren vorgenommen, das Denkmal deutscher Baukunst zu vollenden.

Es schmerzt mich, daß ich Ihnen nicht mehr als den Total-Eindruck des Festes mitzutheilen im Stande bin und daß ich Ihren werthen Leserinnen nicht erzählen kann von den vielen neuen Toiletten, die mir zu Gesichte kamen, der arme Literat muß zu vielen Herrn dienen, als daß er einem ganz anhängen könnte, er muß theilbar sein, wie die Liebe einer Schauspielerin. Am Sonntage empfingen wir den Reichsverweser. Man schwärmt hier für den alten, guten, biedern Mann aus den Alpen, man hat ihm Freude bereitet, wo es nur anging. Er wird Köln nie vergessen, hat auch schon gesagt, daß er uns liebe. Der König, der am Montage kam, hat auch nicht Ursache zu klagen, und die National-Versammlung, denn wir wissen unsere Gäste würdig zu empfangen und zu bewirthen. Wir sahen auch neun Bischöfe.

Die beiden schönsten Festzüge fanden Montag und Dienstag statt. Die Stadt war ungewöhnlich geschmückt mit schwarz-roth-goldenen, mit schwarz-weißen, mit gelben, weißen, blauen, mit vielleicht schwarz-roth-gold-weißen Fahnen, mit Guirlanden, Blumen und Teppichen. Durch die geschmückten und von Gästen gespickten Straßen bewegten sich die unendlich langen Züge, es war etwas Imposantes. Am Montag wurde der Dom dem Volke geöffnet, am Dienstag wurde er eingeweiht. Es ist unmöglich, Ihnen die jetzt ganz in’s Licht getretene Großartigkeit würdig zu schildern, - den Dom muß man sehen, diese Riesenarbeit.

Leider soll ein Unglücksfall das Fest trüben. Den Dienstag ist ein Stein von der großen Fahne auf dem Dome herabgeworfen worden, der einen Menschen tödtete. Freude und Leid grenzen an einander.

1848, Nr. 40, 27.9.1848, Sp. 1489-1491. Köln. Zweite Hälfte des September. Der Dombau-Groschen-Verein. Freiligrath in Düsseldorf verhaftet. Der Kanonier Funk enthaftet. Kampf zwischen Militair und Bürger.

Gottlob! Wir haben endlich alle diese Festtage überstanden. Wir freuten uns schon der Ruhe und vermeinten wieder ins Fährwasser der Alltäglichkeiten einzulaufen; aber die Götter hattens anders beschlossen. Doch, ich lasse den ältesten Neuigkeiten den Vorrang, weil ich gerne mit dem Anfang beginne. Kaum lag das große Dombaufest hinter der Gegenwart, da verfiel man auf die Frage, warum denn eigentlich gefeiert und geheiert wurde. „Um Deutschland zu einigen,“ hieß die Antwort, und da wurde dann beschlossen, daß sich ganz Germanien vereinigen müsse, --- den Dom zu vollenden, eine ganz vernünftige Idee, eine Einigkeit, die das mal keine Sisyphus-Arbeit sein dürfte, wiewohl sich doch noch mancher Einwohner in unserm Vaterlande störrig erweisen wird, wenn man ihn angeht, den Domgroschen zu zahlen, - denn das Ansinnen geht auf nichts Geringeres aus, als eine Contribution von 40.000.000 Sgr. zu erheben, was allerdings dem Gothenbau auf die Beine verhelfen würde. In Köln sind schon gegen 90.000 Mitglieder des Vereins und vom Lande in der Nähe sind reichliche Beiträge in die Bau-Casse geflossen. Wären die Zeiten ruhiger und wären in Folge dessen nicht so viele andere Dinge, die Gelder und zwar viele Gelder erheischten, dann möchte ein erfreulicher Erfolg kaum problematisch sein.

Die Demokratie hatte in den Tagen keine größeren Geschäfte, als das Volk, die Zuhörer, mit Witzen zu beschäftigen, bis Freiligrath drunten zu Düsseldorf zur Haft gebracht wurde. Das darf als Anerkennung für sein letztes Gedicht betrachtet werden. Er gerieth nämlich auf den Gedanken, daß die in März gefallenen Berliner, wenn sie wieder aufstehen könnten, uns Mancherlei zu sagen hätten und da hat er dann für „die Todten zu den Lebenden“ gesprochen, hat eine Poesie entworfen, die ihres Gleichen lange vergebens suchen möchte. Mit unserm Arbeiter-Verein stand Freiligrath auf gutem Fuße; daher wurden hier in den ersten Tagen nach der Verhaftung mehrere Exemplare des Gedichtes von der Polizei ausgehoben; aber der Verein ist sehr hartnäckig, die nächste Nummer seiner Zeitung brachte die Verse, die nun eine ziemliche Verbreitung fanden. Die Arbeit sollte im Verein, ich glaube, im demokratischen, verlesen werden; der damit Beauftragte macht die Bemerkung, daß man ihm dann sicher den Weg andeuten werde, der der Dichter gewandelt. Da erstanden alle anwesenden Mitglieder des Vereins um 1 Sgr. das Gedicht und alle wollten zeigen, daß der Jünger nicht mehr wie der Meister sei, alle wollten eingesteckt werden, - alle lasen, - ein Chor, wie ihn wohl noch kein Schulmeister aufzuweisen hat. Es haben sich mehrere Vereine für Freiligrath verwendet, der in Düsseldorf steht für ihn ein, wenn man ihn außer Haft setzte bis zur richterlichen Entscheidung, und die zwei Vereine hier, haben diesen Antrag zu dem ihrigen gemacht.

Daß der Kanonier Funk von hier nach Saarlouis versetzt und dort verhaftet wurde, theilte ich Ihnen in No. 31 mit; er ist nun wieder entlassen worden aus dem Gefängnis und auch aus dem Militair. Sein erster Gang galt Köln und hier der demokratischen Gesellschaft, wo er vor 8 Tagen zum ersten Male wieder auftrat und mit Jubel empfangen wurde.

Man wähnte, die Demokratie sei hierorts am Verenden, aber die beklagenswerthen Vorfälle der laufenden Woche haben dargethan, daß dem durchaus nicht so sei. Vor circa 14 Tagen wurde eine Abtheilung des 27. Regimentes hier hin verlegt, ein Regiment, welches, wie man allgemein sagt, nicht im Geruche der Heiligkeit steht; in Mainz wurde es auch, wenn ich nicht irre, genannt.

Am Montag Abend [11. September] sollte es sich bemerklich machen. Auf dem Neumarkte findet man, besonders an mondhellen Abenden, viele Spaziergänger, unter solchen und einigen Soldaten des genannten Regimentes, kam es zu Worten, dann zu Schlägen - eines Mädchen wegen. Als die Kunde hiervon in der nahe gelegenen Kaserne anlangte, bewaffneten sich einige hundert Militairs, so viele nennt man, mit Säbeln und rannten hinaus. Der Lärm zog mit jedem Augenblicke mehr Bürger herbei und die Zahl der am Kampfe betheiligten wuchs, bis die Bürgerwehr auf dem Platze eintraf und durch ein energisches Auftreten dem Unwesen sein Ziel setzte. Es sind mehrere bedeutende Verletzungen vorgefallen, auch wurden an einigen Häusern die Fenster eingeschlagen mit Säbeln und viele Scheiben durch Steinwürfe zertrümmert. Die Aufregung unter den Bürgern erlangte den folgenden Tag (12. Sept.) erst ihre Höhe. Am Mittage hatte sich ein großer Volkshaufe vor der Kaserne versammelt. Man verlangte den Abzug der 27ger. An andern Orten forderte man, der Kommandant der Bürgerwehr solle seine Stelle niederlegen, weil er nicht den Bürger und auch der Regierung dienen könne, von Wittgenstein ist nämlich auch Regierungs-Präsident. Die Demokraten halten nicht große Dinge auf ihn. Um diese Zeit begann die Bürgerwehr zu alarmiren und das wiederholte sich bis zum Abende gewiß drei Mal. Zu Scenen kam es auch... Es zogen einige von dem mißliebigen Militair vorüber. Das Volk bombardirte sie mit Steinen, welchem Unfug 6-8 Gensd’armen durch drei Verhaftungen ein Ende machen zu können glaubten; aber das wurde ihnen bald verleidet, sie ließen die Arrestanten laufen und nahmen dafür Prügel mit heim.

Es wurde eine Deputation nach Koblenz entsendet, die den Wunsch aussprechen sollten, die Kölner Bürger verlangten den Abzug der 27ger; ehe dieselbe wieder eintraf, fand eine Volksversammlung (den 13. am Mittage) auf dem Frankenplatze statt, wo mehr als 5000 Bürger einen Sicherheits-Ausschuß erwählten, der Wache halten sollte für die Stadt. Bald darauf kam durch den Telegraphen die Nachricht, daß die Deputation befriedigt heim ziehe. Die Soldaten haben die Forts bezogen und werden wahrscheinlich noch weiter entfernt werden.

Daß man sich nicht allgemein zu Gunsten des Sicherheits-Ausschusses aussprach, werden Sie sich selbst denken, besonders der Bürger-Verein, den ich Ihnen noch nicht anführte und dem ich wahrscheinlich auch in den Jahreszeiten weiter keinen Eintritt gestatte, war ärgerlich, er meinte, nun wär die Revolution schon im Dorfe.

Die ganze Geschichte ist wohl zu Ende, wie auch der Brief Ihres A. -

1848, Nr. 41, 4.10.1848, Sp. 1526-1527. Köln. Ende September.

Köln im Belagerungs-Zustand.

Es giebt Dinge im Leben, die das ruhigste Herz aus seinem sonst ewig gleichen Schlage bringen, solche müssen sich hier ereignet haben, Sie dachten’s wohl schon gleich, da ich Ihnen so bald wieder schreibe. Wie die Unterschrift sagt, Köln ist in der That in Belagerungs-Zustand erklärt.

So ist’s gekommen! Vorgestern am Morgen gegen 6 Uhr erschienen 3 Gensd’armes und 3 Polizei-Diener an der Wohnung des Correctors der Rheinischen Zeitung Schapper und verhafteten diesen. Das ging gut. Eben so viele Diener der fahndenden Gerechtigkeit verfügten sich zu andern Männern. Das ging nicht gut. Zwei haben die Gott- und Gesetzlosen der Polizei abgenommen und ihr dafür ein sehr unschmackhaftes Dejeuné bereitet. Der Präsident des Arbeiter-Vereins, ich glaube, daß er es war, sagte eine Volksversammlung auf dem alten Markte [Alter Markt] durch Placate an. Die Polizei widersprach dem durch einen andern Anschlagzettel. Einige Buben aus dem Volke, ich sah sie, es waren 12 bis 16jährige Straßenjungen, suchten dadurch, daß sie am Polizei-Präsidium die Fenster, und durch diese die Bilder und andere Geräthe mit großen Pflastersteinen zertrümmerten, zu beweisen, daß diese Maßregel durchaus nach ihrem Sinne unpopulär ausgefallen sei. So eine Art Volksversammlung fand dessen ungeachtet doch auf dem alten Markt statt: die Bürgerwehr, die sie zu verhindern beordert war, nahm die Sache nicht so genau. Darnach Volksversammlung im Eiserschen Saale, dann wieder um 6 Uhr auf dem Markt, wo Moll, einer derjenigen, dem das Volk der Polizei gegenüber am Morgen Liebe erwiesen, auftrat, und noch andere Demokraten. Bald langte die Nachricht an, das Militär sei im Anrücken begriffen, der Versammlung zu beweisen, daß es kein Wohlgefallen an derartigen Demonstrationen habe. Barricaden! Barricaden! scholl es tausendstimmig durch die Abendluft und Alles lief so wüthend von der Rednerbühne hinweg, daß ich nicht anderes meinte, es würden wenigstens Häuser entwurzelt und auf einander gethürmt werden; aber als man sich recht umsah, da liefen wenigstens ¾ vom Volke heim und von dem andern Viertel standen ½ an den Ecken umher und schauten zu, wie ungefähr der 50ste Mann der anfangs Versammelten zum Baumann wurde, - und wieder waren es die niedrigsten Männer aus dem Peuple, die sich da zu schaffen machten, die da Karren herbeifuhren, Fässer heranrollten, Trottoirs abtrugen, das Pflaster verdarben, Läden herunterrissen, dem Dome das Bauholz stahlen u.s.w.

Barricaden errichten ist im Allgemeinen durchaus nicht entehrend; aber ich müßte tief erröthen, wenn mich der Augenblick hingerissen, mit Hand anzulegen. Der Markt war bald und ziemlich fest verbarricadirt, aber es würde jedem, der es gesehen, wie planlos die Arbeit war, lächerlich vorgekommen sein. Der Markt war versichert und da war auch niemand mehr, der des Schutzes bedurfte, und als das Militair kam, räumten die Bauleute so schnell als möglich den Ort. Es wird nicht viel zu sagen haben, wenn das Militair dem Kölner Jan-Hagel nur Zeit genug läßt, davon zu laufen; aber dazu ist die Soldateska auch nicht immer aufgelegt, da sie die Strapazen bei solchen Gelegenheiten oft schwer empfindet, und nicht unempfindlich ist gegen die Verhöhnungen, die sie entgegen zu nehmen hat; oft mag auch die Schuld an den Obern liegen, so ein eben der Schule entwachsener Lieutenant lechzt nach Ruhm und möchte gerne recht schnell einen Lorberzweig vom Zaune brechen. An dem Abende ging es gut, die Gerüste wurden ohne Schwertstreich genommen.

Gestern wurde die Stadt in Belagerungs-Zustand erklärt. Alle Vereine zu politischen und socialen Zwecken sind aufgehoben; alle Versammlungen von mehr als 20 Personen bei Tage, und von 10 Personen des Abends und bei Nacht auf den Straßen und öffentlichen Plätzen sind untersagt; alle Wirthshäuser sind um 10 Uhr Abends geschlossen; die gesetzlich bestehenden Behörden verbleiben in ihren Funktionen, und werden in ihren zu treffenden Maßregeln auf’s Kräftigste unterstützt. Die Bürgerwehr ist vorbehaltlich ihrer Reorganisation aufgelöst; die Waffen sind bis 27. Sept. 2 bis 5 Uhr abzuliefern; wer in offenem und bewaffnetem Widerstande gegen die Maßregeln der gesetzlichen Behörden betroffen wird, soll vor ein Kriegsgericht gestellt werden; die „Neue Rh. Zeitung“, die „Zeitung des Arbeiter-Vereines“, die neue „Kölnische Zeitung“ und der „Wächter am Rhein“ sind suspendirt. Sehen Sie, wie hübsch die Sachen bei uns stehen. Das Militair zieht uns von allen Seiten zu, wie man meint, sollen in und um die Stadt gegen 15.000 Soldaten liegen, auf mehreren Plätzen sind die Kanonen aufgefahren, von Deutz aus fletscht die Artillerie auch die Zähne, starke Patrouillen durchziehen die Stadt.

Wenn von Berlin und andern Orten keine Kriegsnachrichten eintreffen, dann wird es wohl ruhig bleiben.

Die meisten der Bürgerwehr-Gardisten verwandelten sich sehr rasch in Devotionsstriche, ein Theil derselben will die Waffen nicht abgeben.

Befürchten Sie nicht, daß Sie in mir während dieses Krieges einen Correspondenten verlieren, dann verkennen Sie mich, Ihr Andres strebt die Unsterblichkeit an und ist der Erste mit, der davon läuft, wenn es losgeht.

1848, Nr. 44, 25.10.1848, Sp. 1617-1619. Köln. Nachwehen der Belagerung. Freiligrath in Düsseldorf freigesprochen. Pensions-Gesuch des Oberbürgermeisters Steinberger. Von Wittgensteins nach Berlin gewählt. Gemälde-Ausstellung. Verwirrung in einem Bildhauer-Atelier.

Hätten wir keine Volksversammlungen zu Worringen gehalten, dann gab es keine Verhaftungen; hätte man nicht verhaftet, dann wäre die Polizei nicht geprügelt worden und die Fenster am Präsidium blieben ganz; hätte man nicht geprügelt und geworfen, dann wäre die Bürgerwehr nicht aufgefordert worden, ihre Großvaterstühle zu verlassen; wäre die Bürgerwehr aufgestanden, dann wurden keine Barricaden gebaut und wir erlebten keinen Belagerungszustand; und wenn wir diese beiden Dinge nicht kennen lernten, dann wären wir nicht - blamirt, dann hätten uns die Berliner Witzblätter in Ruhe gelassen, dann würde man nicht von so vielen illustrirten Blättern um Stoffe zu Caricaturen angegangen, dann wären nicht jene unästhetischen Silhouetten, deren Schöpfer vor einigen Tagen erstochen wurde, in Düsseldorf nicht erschienen, dann wäre die D’Ester-Borschardt-Kyllsche-Interpellation nicht erfolgt, welche die verschieene Heuler-Adresse heraufbeschwor und 3 oder 4 Proteste gegen diese, - Köln hätte nicht nochmals gezeigt, wie stark es im Adressen-Fabriciren ist. Das Alles wäre unterblieben, wenn jene Volksversammlungen nicht stattfanden und doch - war schon wieder eine dito auf den 15. [Oktober] angesagt. Da machte sich das Militair denn sehr zeitig auf seine und seiner Gäule Füße, hinabzuziehen, damit das Project nicht zur Ausführung gedeihe. Es muß den Demokraten nicht so ernst gewesen sein oder die Furcht des Herrn überfiel sie, denn auf dem Platze waren statt der vielen 1000 von früher, nur wenige 100 Menschen anwesend und wer Lust dazu hat, mag sich den April im Oktober denken.

Ich theilte Ihnen früher mit, daß Freiligrath seines Gedichtes „die Todten an die Lebendigen“ wegen in Düsseldorf verhaftete wurde, er ist am 3. October vom Schwurgericht frei gesprochen worden. Ich war hinab gereist und wohnte der Verhandlung bei. Der Prozeß hatte die sonst stets rührige Stadt außergewöhnlich bewegt und von nah und fern eilten Fremde herbei, den Ausgang des ersten Literatur-Prozesses von Bedeutung nach dem 18. März selbst mit anzusehen, - im Saale war es zum Ersticken heiß und besetzt.

Während die Advokaten Meyer von hier und Weiler von Düsseldorf für den Dichter plaidirten, saß er selbst da so ruhig, als wenn ihn die Verhandlung wenig kümmere, als habe er den Hippogryphen bestiegen und weile in den Gefilden der Phantasie. Seine Haltung machte einen überaus günstigen Eindruck auf die Zuschauer. Endlich kam der Moment, in welchem er geweckt werden sollte durch den Jubelruf des Volkes! Ein schönerer Tag dämmert dem Dichter nicht wieder herauf, so wird er nicht wieder im Triumpfzuge nach Hause begleitet, ein so solennter Fackelzog wird ihm nicht wieder gebracht, wie an dem Abende. Freiligrath ist zum Liebling des Volkes geworden! Wir werden ihn bald in unserer Mitte sehen; denn er hat sich dem Redaktionspersonal der Neuen Rheinischen Zeitung angeschlossen und wird in den ersten Tagen bei uns eintreffen.-

Unser Ober-Bürgermeister Steinberger hat sein Entlassungs-Gesuch eingereicht; er will, 72 Jahre alt, abtreten von dem Wirkungskreise, wo er 25 Jahre stand und die Interessen der Stadt stets gewissenhaft im Auge behielt. Der Gemeinderath hat beschlossen, daß ihm sein ganzes Gehalt (3000 Thlr.) als Pension ausgezahlt werde; dagegen protestirte die Linke, aber erfolglos, sie meinte 2/3 dieser Summe würden völlig hinreichen, dem Greis die Sorgen für seine Existenz ferne zu halten. [...]

1848, Nr. 49, 29.11.1848, Sp. 1781-1784. Köln. Fackelzug nebst einigen zarten Serenaden. Preß-Processe. Eine Predigt. Der Einfluß der Ereignisse in Wien und Berlin. Schneider II. Marx, Schapper und H. Bürgers. Lassalle und Wulf in Düsseldorf.

Seit meinem letzten Briefe drängen sich die Ereignisse für uns wieder. Ich beginne mit den Bagatellen. Sie wissen, daß v. Wittgenstein auf Kylls Stelle ins Parlament nach Berlin von unserer Bourgeoisie gewählt wurde. Als dieser [Kyll] heimkehrte, wartete seiner ein überaus freundlicher Empfang. 3000 Fackeln schufen in den Straßen die Nacht zum Tage um. Der Zug, welcher die intelligentesten Männer der Stadt in sich aufgenommen hatte, bewegte sich erst an dem Wittgensteinschen Hotel vorüber, damit die mißliebige Wahl bestätigt werde durch eine Katzenmusik, die zufolge der N. Rh. Ztg. nichts zu wünschen übrig ließ. Vor Kylls Wohnung hielt der Reichsgesandte Franz Raveaux eine kurze, herzliche Ansprache, auf welche Kyll ebenso antwortete. Der Jubel der Fackelträger und des mitziehenden Volkes bekundete es sehr deutlich, daß man wohl meine, der Abgeordnete habe sich um Köln verdient gemacht, als er mit D’Ester und Borchardt sich gegen den hiesigen Belagerungs-Zustand aussprach. Das wurde noch mehr erhärtet, als man von hier zu dem Advocaten Stupp zog, der sich vor einigen Jahren Berühmtheit erwarb in einem unergötzlichen Streite über den Hermesianismus in den Anoncen-Colonnen der Kölnischen Ztg. und der sich in den letzten Wochen durch seine conservativen Bestrebungen in den Augen aller Liberal-Gesinnten berüchtigt machte. Auch ihn sollte die Ehre widerfahren, von einigen tausend Katern in Schlaf gesungen zu werden; aber was wird er darum geben? Die schönste Serenade wird alltäglich, wenn sie sich zu oft wiederholt.-

In dieser Zeit fallen auch einige Preß-Prozesse, die gegen hiesige Blätter an unsere Assisen verwiesen wurden. Sie galten den „Freien Volksblättern“ von Dietz und der „Ztg. des Arbeiter-Vereins“. Die Redacteure wurden verurtheilt, einige Wochen in einem Staatsgebäude auszuruhen von ihren literarischen Mühen und einige 1000 Thlr. Caution zu stellen, im Falle sie es nicht vorzögen, ihre Blätter eingehen zu lassen. Ihre Zeitungen starben und - zwei andere wurden geboren, mit den Titeln: „Freie Blätter“ und „Freiheit, Brüderlichkeit und Arbeit“. Dann machte ein Kaplan ein wenig von sich sprechen, weil er eine Predigt erfand, über die Trennung der Schule von der Kirche, in welcher er es gefährlich soll gefunden haben, daß einige Lehrer - Bärte tragen. -

Jetzt kamen die Wiener Ereignisse, nicht in Folge der eben angeführten Predigt, die man förmlich vergaß. Es ist unmöglich, die Teilnahme zu schildern, welche sich in allen Kreisen zu erkennen gab. Unsere Tagesliteratur, die sich diesmal durchweg zu Gunsten des Volks aussprach, hatte sich einer Aufmerksamkeit zu rühmen, die ihr selten zu Theil wird und die sie auch nur selten mit Recht beanspruchen darf. Wo zwei oder drei versammelt waren, da war „Wien“ bei ihnen, wo man eine Zeitung ergriff, da suchte da Auge zuerst das Wort „Wien“, wer beten konnte, der that’s für Wien und wer verlernt hatte, der fluchte auf Windischgrätz Kosten, - endlich fing Alles an zu fluchen, besonders in der Stunde, die uns die Kunde brachte von dem Tode eines unserer Söhne, die Trauer-Botschaft von „Robert Blum“. Aller Herzen waren in dieser Stunde zerrissen, auch die Herzen derer, welche in seinem Leben mit ihm rechteten, diese Stunde hat ihn ausgesöhnt mit seinen Feinden. Blum, der am Vorabende seines Geburtstages starb, entsproßte hier vor 42 Jahren einer Faßbinderfamilie; sein Vater war zu arm, ihn der Schule zu übergeben; das that später die Geistlichkeit von St. Martin, in deren Dienst er getreten war; aber der Knabe schlug sich schon mit Gedanken und Zweifeln über Religion herum, er wurde verstoßen, wurde Laufbube am Theater, war fleißig und thätig, bis er sich zu der Stufe emporgeschwungen hatte, von welcher ihn drei elende Bleikugeln herabzogen, oder besser, es mußten nur noch einige Loth Blei in die Waagschale geworfen werden und er wurde hinaufgeschnellt zur Unsterblichkeit, die ihm ein anderer Tod nur für einige Zeit gesichert haben würde. Daß man den Mann hier liebte, können Sie sich denken! Dieser hatte mit ihm die Messe gedient, Jenem war die Ehre zu Theil geworden, in seiner Jugend vom Erschossenen geprügelt zu werden, ein Anderer rühmte sich, seine Jungfernrede gehört zu haben, Alle hatten ihn von Angesicht zu Angesicht geschaut, Alle trauerten an dem Tage, als eine glänzende Todtenfeier für die Verstorbenen der Familie Blum veranstaltet wurde. Köln versteht es, traurig zu sein und lustig, wie es die Zeiten eben wollten, wirft auch zuweilen Fenster ein oder bringt Katzenserenaden, sonst ist es nicht gefährlich. Es wundert mich außerordentlich, daß man keinen Protest gegen Blums Tod entwarf und keine Adresse an den Erschossenen, man sollte das sicher erwartet haben.

Als die Nachrichten von dem Conflicte zwischen der Krone und der [Berliner] constituirenden Versammlung hier eintrafen, da erstand eine Bewegung, welche alle Schichten der Bevölkerung fieberhaft durchzog. Man entschied sich durchweg zu Gunsten des Parlamentes. Das Erste, was man unternahm, war (Sie rathen schon was) eine Adresse; der Gemeinderath schloß sich derselben an, erklärte aber gleich darauf in der kölnischen Zeitung, daß er sich nicht anschließe, weil in der Sitzung Ungesetzlichkeiten vorgekommen seien. Darnach sandte die demokratische Gesellschaft einige Deputirten in den stark mit Heulerei begabten Bürger-Verein, ihn zu ersuchen, die Adresse anzuerkennen. Die Abgesandten zu unterstützen, gebrauchte man die Vorsicht, ihnen einige hundert Geleitsmänner mitzugeben, die dann auch wirklich im Bunde mit einigen Halbheulern das Schriftstück durchbrachten, wonach sich eine gewaltige Heulerei erhob wider den Verrath. Es fanden sich so 7000 Unterschriften. Später machte man das Ansinnen an den Stadtrath, er möge sich für die Reorganisirung der Bürgerwehr aussprechen, aber er ist in ein hartnäckiges Stillschweigen versunken und schickte dagegen eine Deputation zum Könige mit einer Vermittelungsadresse, deren Ergebnis zur Stunde noch nicht bekannt ist. Es soll uns wundern, ob die Liberal-Gesinnten den Rath zum Rücktritt bewegen werden, man gibt ihnen energisch genug seinen Unwillen zu erkennen, heute mußte er sich mit Militair umgeben, damit das Volk vom Rathhaus fern gehalten wurde.

Der Advokat-Anwalt Schneider II, der Redacteur der N. Rh. Ztg. Marx und Correcteur Schapper, (dieser wurde vor einigen Tagen seiner Haft entlassen), von welchen die Steuer-Verweigerungs-Frage unterstützt wurde, waren gestern vor dem Instructions-Richter beschieden. Ersterer ging und kam wieder vom Richter, diese gingen fort, man weiß nicht wohin. Der Literat und Mitredakteur der N. Rh. Ztg. H. Bürgers, der während des Belagerungs-Zustandes einen Spaziergang nach Syrakus oder sonst wohin unternahm, ist heimgekehrt und stellte sich dem Gerichte, welches ihn entließ, wonach ihn das Volk auf den Händen in die Volks-Versammlung trug, ihn, dem es nicht mit Unrecht seine Liebe geschenkt hat.

Die Bewegung in andern Städten der Provinz ist bedeutender, wie in Düsseldorf und Bonn. In Düsseldorf soll jetzt der Kampf ausgebrochen sein, dort leiten Lassalle und Wulf die Bewegung. Ersterer ist in die Hatzfeldschen Processe mit verwickelt gewesen und zeichnete sich durch eine ganz ungewöhnliche Rhetorik aus. Wer weiß, was uns die nächsten Tage bringen? Ich glaube, wir sind auf dem Wege, Wien zu copiren, wenn nicht bald eine Wendung eintritt.

1849, 1.1.1849, Sp. 55-58. Köln. Glückwunsch zum neuen Jahr. Fenstergeklirre. [...] Politischer Indifferentismus. Die Pariser Wahl. Politischer Prozeß gegen Gottschalk, Anneke und Esser.

[...] Vorab den „schönen“ Leserinnen der Jahreszeiten meinen Wunsch zum neuen Jahre, die meine Correspondenzen nicht überschlugen. Wir wollen Alle hoffen, daß die kostbare Saat, welche im letzten Frühlinge ausgestreut wurde, in diesem Jahre nicht so zertreten werde, wie 48, daß die Pflänzchen, die die Freiheit bilden, besser gepflegt werden und gedeihen, daß sie zu Bäumen heranwachsen, gegen welche die „Hochgewitter“ vergebens anstürmen. Das ist zum neuen Jahre mein Wunsch, meine Hoffnung, mein Gebet!

Mein Bericht beginnt da, wo ich eben den letzten Brief an Sie der Post übergeben hatte. Es war schon spät am Abende, in den Straßen noch sehr rührig, denn eben hatte man dem commissarischen Ober-Bürgermeister32 von der Straßenseite aus die Fenster geöffnet, die Thür eingeschlagen und im Parterre allerlei eilige Arbeiten verrichtet. Da das Militair hier das liebe Volk, als es beinahe fertig geworden, ablöste und dasselbe sich noch nicht vollkommen abgekühlt fühlte, zog ein Theil zur Expedition der Kölner Zeitung, um hier die Fortsetzung zur glorreichen Geschichte des Abends zu schreiben. [...] So ist ein großer Theil unserer Bevölkerung. Wer ihnen von Ordnung und Gesetzlichkeit spricht, der ist ein Aristokrat, ein Bourgeois und er darf versichert sein, daß man sich seiner gelegentlich erinnert. Sobald wird das auch noch nicht gehoben sein, denn erst müßte der Arbeiter-Stand sittlich besser werden. Das kann er aber unter den schwebenden Verhältnissen nicht, da er arbeitslos ist, mit Kummer und Elend zu kämpfen hat, was ihn nothwendig bitter machen muß. Ich sage, es wird stündlich schlimmer, denn mit jedem Tage verarmt die Mittelklasse mehr, mit jeder Woche wächst die Zahl der Proletarier. –

Die Politik scheint sich bei uns die Schlafmütze in den letzten Wochen über den Kopf gezogen zu haben. Sie werden mir das auf’s Wort glauben, wenn ich Ihnen sage, daß wir nicht einmal mehr Addressen machen, der Stadtrath ausgenommen. Der Enthusiasmus, den die octroyierte Verfassung in den ersten Tagen hervorrief, war schon so ziemlich verraucht, als die Wahl in Paris ihren Anfang nahm, welche sich hier am Rhein einer großen Theilnahme erfreute. Ein großer Haufen meinte, wenn die Napoleonide33 an’s Ruder komme, dann dürfe man versichert sein, daß die westlichen Nachbarn uns bald einen Besuch abstatten würden; die Militair-Behörde scheint auch dieser Ansicht zu sein, sonst hätte sie nicht Sorge getragen, daß die Basteien mit Kanonen bepflanzt worden wären. Es liegt darin gewiß eine Verkennung unserer politischen Verhältnisse. Die Franzosen werden uns in Ruhe lassen, gegen uns haben sie nichts, im Gegentheil, sie werden uns beispringen, sobald wir nicht mehr mit uns selbst kämpfen, sie werden aufhören, passiv zu sein, wenn auswärtige Feinde kommen, ihren Blutdurst zu stillen oder die Reaction zu unterstützen.

Aufsehen machte in der letzten Woche der Prozeß vor den hiesigen Assisen, in welchem es sich darum handelte, „ob Dr. Gottschalk, der ehemalige Lieutenant Anneke und Esser, ein Arbeiter, wirklich im Laufe des Jahres 1848 durch Reden in öffentlichen Versammlungen sowie durch Druckschriften ihre Mitbürger zur gewaltsamen Änderung der Staatsverfassung, zur bewaffneten Auflehnung gegen die königl. Macht und zur Bewaffnung eines Theiles der Bürger gegen den andern geradezu angereizt hätten, welche Anreizungen jedoch keinen Erfolg gehabt, so sie Statt fanden.“ Die Drei waren aus dem Arbeiter-Verein; sie können sich daher denken, daß viele unserer Arbeiter drei Feiertage machten. Im Zeugenverhör wurde die Anklage mit jeder Aussage mehr entkräftet, die Zeugen wußten weniger zu berichten, als selbst die Beschuldigten in ihrem Freimuthe zugestanden. Mehrere der Geladenen waren nicht erschienen, unter ihnen ein gewisser Maltheser, der mit der Polizei auf vertrautem Fuße stand; dem Manne hat sich die Verachtung des Volkes ganz zugewandt. Ein anderer, auch mißliebiger Zeuge, trat in der Person des Landgerichts-Referendar Ew. von Groote auf; er suchte sich vor dem Publikum von dem Verdachte zu reinigen, als sei er ein Denunciant, wofür ihn die Presse ausgegeben. Während des Verhörs wurde im Saale von einem schon vier Mal verurtheilten Verbrecher eine Uhr gestohlen, wofür ihn die Gerechtigkeit packte und zur Stelle zu 18 monatlicher Gefängnisstrafe verdammte. Unter den vielen, sehr hervorragenden Reden zeichnete sich die Selbstvertheidigung des Angeschuldigten Gottschalk besonders aus in allen Beziehungen, nach welchen man den Gehalt seiner Rede feststellt. Der Arbeiter Esser ließ sich zuletzt vernehmen. Seine Worte drangen den Männern seines Standes zu Herzen, man konnte es deutlich in Aller Zügen lesen, wie er die Zuhörer nicht allein, auch den Gerichtshof hinriß.

Bei wichtigen Verhandlungen fragen sich die Geschworenen oft Stunden lang, wie neulich bei der Lassalleschen Procedur. (Er ist seiner gräflichen Freundin schon wieder entrissen, nächstens wird er abermals vor dem Schwurgericht stehen der Vorgänge in Düsseldorf wegen, die ich in Nro. 49 andeutete.) Diesmal wähnte man sie kaum entfernt, da erschienen sie schon wieder und verlasen das „Nicht schuldig“. Der Jubel der arbeitenden Klassen war groß, aber er wurde gedämpft durch das Verbot des Fackelzuges, den man auf den folgenden Abend durch Plakate angesagt hatte. Also vollständig wollte man die Arbeiter nicht aussöhnen und ob die drei Angeklagten bei dem Nichtschuldig, das im siebten Monat nach ihrer Inhaftierung ausgesprochen wurde, nicht reif für einen Fackelzug waren? Nun ist’s genug! Leben Sie wohl bis nächstens.

1849, 24.1.1849, Sp. 179-182. Köln. Dr. Gottschalk. Die 12 Aposteln. Der Ober-Bürgermeister und der Viehmarkt, der Stadtrath und der Elephant. Urwahl. Zeitungsschau in Köln.

Der Schluß meiner letzten Correspondenz ist der Anfang zu dieser, ich führe Dr. Gottschalk vor. Der Staats-Procurator erhob sich während der Selbstvertheidigung des Angeklagten und verbat sich jeden persönlichen Angriff, wozu er allerdings Ursache hatte, insofern es peinlich ist, vor einem so zahlreichen Publikum so gewandt heruntergemacht zu werden von einem Manne, mit dem sich hinsichtlich der Rhetorik vielleicht keiner der anwesenden Juristen messen konnte. Der Redner antwortete darauf einige Worte der Entrüstung, welche an Danton (?) erinnern, der bei einer ähnlichen Gelegenheit sagte: „Die Worte eines Menschen, dessen Freiheit, dessen Leben auf dem Spiele steht, müssen den Klang einer todten Schelle übertönen.“ Dann schwieg er, auf die Fortsetzung seiner Rede verzichtend, trotz der Aufforderung des Präsidenten, weiter zu reden. Das Auditorium bedauerte es sehr, um den weiteren Genuß einer so glänzenden Rede gebracht zu sein; aber dem hat der Freigesprochene, wie vorauszusehen war, abgeholfen, indem er seine Vertheidigung vollständig in einer Broschüre herausgab. Am h. Assisenhofe hörten wir nur eine Rede, von der wir schon berichteten, die dieser zur Seite gesetzt zu werden verdient, – das Rheinland besitzt gegenwärtig in Lassalle und Dr. Gottschalk seine hervorragendsten Redner. Letzterer ist augenblicklich in Brüssel, weil er sich selbst verbannte, da der h. Stadt-Commandant gesagt haben soll, vor ihm stehe der von den Geschworenen Freigesprochene noch nicht gerechtfertigt. Das hat nun seitens des sich selbst Verbannenden einen etwas kleinlichen Anstrich, wenn man nicht annehmen will, er entfernte sich nur deshalb, um nur möglichst viel Aufsehen zu erregen, daß man ihn bald wieder nach Berlin in die Kammer wähle und zurückberufe. –

Es wird nicht wenig hier, wie im ganzen Regierungsbezirk gewühlt von den verschiedenen politischen Fractionen, von den Heulern am meisten. Doch ist das Volk schon zu sehr aufgeklärt, sich allerwärts Sand in die Augen streuen zu lassen und es geschieht nicht selten, daß es zu thätlichen Demonstrationen kommt. So zog am Dreikönigstag ein Rudel Heuler von Bonn in den Siegkreis, um dort zu agitiren gegen die Bestrebungen des Professors Kinkel. Es waren ihrer gegen ein Dutzend (daher der Spitzname ‘die 12 Aposteln’) Professoren und Musensöhne, würdige Antipoden von der Wiener und Berliner Jugend. Sie hielten Reden an das Volk, auf welche sich aber Repliken fanden, die sie überzeugten, daß es gerathen sei, gegen die Söhne der alten Siegamberer den Staub ihrer Sohlen abzuschütteln, oder besser gesagt, das Fersengeld zu nehmen. Über ihre Heimreise herrscht noch ein tiefes Dunkel, wiewohl so viel davon gesprochen wird. Wie es zugegangen, daß die Heuler so stark und anhaltend aus allen Kräften und ganzen Gemüthe heulten, von einem Dorfe zum andern bis an den Rhein, darüber schweigt die rührende Geschichte von diesem Abende. So wühlt man mit Nachdruck auf dem Lande, was auch ganz natürlich ist, da der Bauer (wie vor einigen Tagen im Frankfurter Journal schon bemerkte) von Haus aus schon ein Wühler ist.

Wir verhielten uns ruhig und ließen uns die Wahltage ganz nahe auf den Leib rücken. Nun hob aber auch ein Getümmel an! Alle wühlten. Die conservative Partei spie eine Ansprache nach der andern unter das Volk, es erschienen offene Briefe, welche die Demokratie zu verdächtigen bestimmt waren, kurz, man ließ alle Minen springen und dennoch beginnt der dreisternige Dr. Brüggemann Tages vor der Wahl einen langen Leitartikel mit den Worten: „Wir können am Vorabende der Entscheidung noch immer einer tiefen Bangigkeit uns nicht erwehren.“ Er hat Recht zu seiner Befürchtung. In meinem Bezirke will man vor allen erst Freiligrath und Borchardt zu Urwählern erheben und so redet man in vielen Wahlkreisen. Die Vorbereitungen zur Wahl sind großartig, der Bürgermeister hat sogar den Viehmarkt ausgesetzt und man munkelt hin und wieder, der große Elephant, welcher schrieb, er werde uns in diesen Tagen besuchen, sei ersucht worden, zu warten, bis die Wahl vorüber sei, worauf er erwidert habe, erst am Donnerstage seinen feierlichen Einzug zu halten, was wieder sehr bedenklich ist, da an diesem Tage die erste öffentliche Sitzung des Stadtrathes stattfindet, der gewiß in der Concurrenz mit dem riesigen Rüsselkäfer durchfallen wird; es wäre gut, wenn der Ober-Bürgermeister die Sitzung auf einen andern Tag verlegte, wie den Viehmarkt. Vielleicht wäre es noch am besten, wenn man den Markttag nicht verlegte, trieb am Wahltage alles in Köln wohnende Vieh auf den Markt und ließ dann die Menschen wählen. Morgen [22. Januar 1849] ist die Wahl, ich will einmal sehen, ob sie meinem Humor etwas anhaben wird. [...]

Köln macht sich, was die Zeitungen anbelangt, aber die Zeitungen machen sich nicht, was Köln betrifft. Ich möchte rufen: Ein Königreich für eine gute Nummer! Und dann dürfte ich noch immer versichert sein, daß ich das Königreich, welches ich nicht besitze, nicht verliere. Da ist

1) Die Kölnische Zeitung, der es nicht schaden würde, wenn Hr. Du-Mont auf den Einfall käme, den letzten Redacteur zum ersten zu machen, Dr. Schwanebeck () müßte Dr. Brüggemann (***) werden.
2) Die Neue Rheinische Zeitung mit wenigstens 7 Redacteuren, so eine Art Abendzeitung, nur nobler, gelehrter und geachteter.
3) Die neue Köln[ische] Z[ei]t[un]g, von Anneke und seiner Frau herausgegeben, und von Bauern, Arbeitern und Soldaten gelesen.34
4) Der Wächter am Rhein, von C. Cramer, mit viel Gesinnung und wenig Abonnenten.
5) Die Arbeiter-Zeitung, mit einer rothen Flagge in der Vignette und viel Lärm in den Artikeln.
6) Die Freien Volksblätter, die schon einmal, wie auch Nr. 5, vom Schwur-Gericht auf den Kopf geschlagen wurden.
7) Die Kölner Funken, von D. Sternau, der einer von den Träumern ist, die sich mit der Vision von der Einheit Deutschlands beschäftigen; er sang, als der Wind die dreifarbige Fahne auf dem Dome zerriß:
„Als ich in mondenheller Nacht,Den Fluch des Zorns auf meinen Zähnen,Zum ersten Mal die Fetzen sah,Da weint’ ich heiße, stille Thränen.“
Und ich weine Zähren [Tränen] über seine Funken, welche sich in diesem Monate entzündeten und vielleicht schon verglommen sind, ehe der Februar beginnt, weil sie nicht hatten, was sie versprachen: Witz, Humor, Satyre etc.
8) Der Kölnische Anzeiger, ein ziemlich fremdes Fremdenblatt.
9) Zeitung für Handel und Gewerbe, welches, geben Sie acht! Levin Schücking zum Redacteur hat.
10) Das Domblatt.
11) Der Lehrerbote am Rhein, eine Schrift, welche es verdient, Lehrern und Freunden derselben empfohlen zu werden.

Die Rheinische Volkshalle, auch Kirchenhalle und Volksfalle geheißen, hat den Feuilletonisten Wilh. von Chézy zum Redacteur und ist nicht so schlecht, wie man sie macht.

Es erscheinen zwar noch zwei andere Zeitungen hier, doch um ihre Namen kennen zu lernen, werde ich erst noch einige Entdeckungsreisen unternehmen müssen.

Nachschrift. Alle Wahl-Resultate, welche bis jetzt von außen eingetroffen sind, gehören der Demokratie an.

1849, 21.2.1849, Sp. 308-310. Köln. Barricaden- und Steuerverweigungs-Processe. Schuster Schützendorf. Raveaux. von Wittgenstein. Wahlen zur ersten und zweiten Kammer. Der Gemeinderath. Der Carneval. Ein Maler und ein Literat.

Es kostet mich wahrlich eine große Überwindung, mich dieses Mal zu einem Berichte für Sie niederzusetzen, der Stoff ist zu gewaltig. Ich könnte mit demselben einen ganzen Band Ihrer Zeitung füllen, wenn ich mich an denselben wagte und das wünschen Sie doch selbst nicht. Daher übergehe ich die Hauptsache und halte mich zu den untergeordneten Vorgängen, schreibe Ihnen nichts von unsern Barricaden-Männern, von den Gewehr-Dieben und von dergleichen ehrwürdigen Überresten aus der politischen Glanzperiode Kölns, welche man bis dato vorsichtig hinter Schloß und Riegel verwahrte, damit sie sämmtlich vom Schwurgerichte freigesprochen würden,

– schreibe Ihnen nichts davon, daß man an demselben Gerichte der Neuen Rh[einischen] Ztg. etwas anhaben wollte, aber nicht konnte, wie überhaupt von der Legion Processe, die diese Zeitung noch bedrohen,

– schreibe Ihnen nichts von Schneider II., Marx und Schapper, die vor den Geschworenen standen, weil sie zur Steuerverweigerung ermuthigt haben sollen, wogegen die Richter Nichts einzuwenden fanden, als die Beschuldigten freizusprechen,

– schreibe Ihnen Nichts von dem Herausgeber des letzten Rheinischen Jahrbuches, Professor [Gottfried] Kinkel in Bonn, der vor unser Zuchtpolizeigericht citirt wurde, weil er das Militair in Mainz beleidigte, wofür man ihn einen Monat sitzen und die Kosten bezahlen zu lassen gedenkt, wovon ersteres weniger Beschwerden verursachen wird, als letzteres, da selbst die besten literarischen Talente, wozu ich K. und seine Frau Johanna rechne, in dieser Zeit einen harten Standpunkt haben, wenn sie zur demokratischen Presse halten,

– schreibe Ihnen Nichts von unserm politischen Schuster Schützendorf, der aus der demokratischen Gesellschaft auswanderte in den wohllöblichen Bürger-Verein, wofür ihn die Handwerker vor einigen Wochen vom Gürzenich auf den Händen die Treppe im Fluge hinabtrugen, wonach einige Hauptheuler geschworen haben sollen, ewig bei ihm ihre Stiefel flicken zu lassen,

– ich schreibe Ihnen Nichts von unserm Frankfurter Raveaux, der herkam, sich nach Berlin wählen zu lassen, aber großmüthig auf die Wahl verzichtete, als er durchgefallen war und inne wurde, daß seine Popularität in Köln zum Teufel sei und daß er nichts Vernünftigeres hätte unternehmen können, als wenn er auf der Reise nach Wien, wo er den alten Johann35 holte, gestorben wäre, er hätte dann die Unsterblichkeit beanspruchen dürfen,

– ich schreibe Ihnen Nichts vom, seit dem März dreimal geehrten von Wittgenstein, wie er durch die Wahlurnen für die zweite Kammer in die für die erste fiel, worauf sich unsere Glaser nicht mit Unrecht freuten.

Doch über die Wahl mache ich Ihnen eine kurze Mittheilung. Die Urwahlen für die zweite Kammer fielen durchweg in der ganzen Provinz demokratisch und die für die erste Kammer conservativ aus. Von den Maiwahlen bis zu den jetzigen hat das Volk einen großen Schritt vorwärts gethan, Männer wie Raveaux, Schützendorf, von Wittgenstein sind unmöglich geworden, halb ausgebildete, unentschiedene und reactionaire Charaktere mögen für die Folge nur von vorne herein der Candidatur entsagen. Für die zweite Kammer fiel die Wahl auf Kyll und auf den Advocaten Schneider II. Antipoden dazu lieferte die Wahl für die erste Kammer in den Deputirten: von Wittgenstein, Camphausen und von Kempis, ein vormärzliches Landtagsmitglied, das nicht viel Licht zum Tagen mitbrachte. –

Der Gemeinderath hat wirklich angefangen, seine Sitzungen öffentlich abzuhalten; wahrscheinlich ist der Elephant erst den Freitag eingetroffen, es bleibt ohne diese Annahme unerklärlich, warum der Rath des Donnerstags Militair nöthig hatte. Übrigens verdient seine Haltung jedes Lob, man glaubte nicht, daß derselbe so parlamentarisch zu Werke gehen würde, wie er es that, die Väter der Stadt haben von den geheimen zu den öffentlichen Sitzungen einen Siebenmeilenschritt gethan, denn früher soll es oft laut zugegangen sein. –

Der Carneval fiel in diesem Jahre nicht, wie im vorigen, in den März, sondern in den Februar. Die allgemeine Gesellschaft wollte nicht feiern und was sie sagte, hielt sie; die große, jener gegenüber eigentlich die kleine, meinte, man dürfe es versuchen, ob ein Fest zu Stande zu bringen sei. Auch sie hat Wort gehalten und sich nicht wenig blamirt; denn es ist eine schwere Sache, in unsern Tagen zu lachen und andere Leute ans Lachen zu bringen. Der Versuch fiel sehr kläglich aus. Von den ersten Größen Kölns war keine in den Zügen zu entdecken, selbst Roderich Benedix fehlte. Die Menschen drehten sich wie die Puppen auf den Wagen und machten schwache Witzanläufe; die Wagen hatten keine Bedeutung und wo eine solche durchblickte, da war sie verzeichnet oder ein Geißelhieb auf’s eigene Fleisch.

Um das zu belegen, führe ich die Persiflage auf die Steuerverweigerung an. Es liegen Gründe genug vor, dieser Partie den Stab zu brechen, wie es auch erbärmlich war, die Kölner Bürgerwehr, die schon so sehr mißhandelte, in den Fasching zu zerren. Man sollte da glauben, die Ideen seien von der Reaction ausgegangen; aber dann müßte man die Mission nach England und den Spott auf unser Militair vermissen. Das Volk hat in der That nicht gewußt, was es wollte. Den meisten Humor riefen die Männer aus dem souverainen Volk hervor, die oft sehr glücklich in der Wahl ihrer Rollen waren; sie trieben sich bis gegen den Morgen in den Straßen herum.

Der Ball auf dem Gürzenich am Montag war zwar reich besucht, aber der Glanz früherer Jahre gebrach ihm förmlich; es war schwül heiß und man meinte, das trage die Schuld, daß kein Mensch so recht lustig werden wollte. Wohl ist’s eine Schwüle, die dem Volke das Lachen verleidet, aber es ist nicht die Hitze des Gürzenich. [...]

Wir haben hier einen Maler, der Kleinenbroich, und einen Literaten, der C. Cramer heißt, beide Freunde. Es fiel ersterem ein, dem andern ein Compliment zu machen, indem er ihn mit einem Löwenkopfe, in der Hand eine Guillotine halten, zeichnete. Cramer konnte die Ehrenerweisung nicht entdecken, daher sagte er ihm in seinem „Wächter am Rhein“: Das Carricatur-Zeichnen steht Kleinenbroich an, wie dem Esel das Flöteblasen. Der Maler zeichnete auf das nächste Blatt einen Esel in der Hoffnung, man werde denselben für seinen dermaligen Feind halten, was man aber nicht that. Kl. ist ein tüchtiger Maler und Cr. einer der bravsten Männer der Stadt.

1849, 21.3.1849, Sp. 436-437. Köln. Der 24. Februar und der 18. und 19. März.

„Es ist zum Tollwerden!“ redete mich vor einigen Tagen ein College an, „keine Emeute, kein Fackelzug, kein Katzenständchen, durchaus Nichts, was in unsern Brodschrank taugt. Das ist ein sehr böser Monat, dessen Folgen sich beim Quartal-Abschluß schrecklich geltend machen werden!“ Ich fühlte sein Leid, ehe er mir’s mittheilte, die vierte Bitte des Vaterunsers fuhr mir auch eben noch im Kopfe herum. Der Himmel sandte mir den rettenden Gedanken, ihm eine unschuldige Lüge aufzubinden, zu deren Verbreitung ich ihn sehr bereitwillig fand, was mir Veranlassung gab, ihn in vier Zeitungen glänzend zu widerlegen. Ihnen möchte ich nun nicht gerne eine Phantasie-Correspondenz auftischen, wozu ich aber dennoch meine Zuflucht nehmen müßte, falls es der Reaction gelungen wäre, was sie so sehr gemocht hätte, den 18. und 19. März aus dem Kalender zu streichen. Da sie in dem verflossenen Jahre noch nicht so weit kam, war es uns diesmal auch noch möglich, den Gedächtnistag der Revolution festlich zu begehen.

Das machte sich so: Als der Jahrestag der französischen Staatsumwälzung kam, wurde die Vorfeier abgehalten und das muß man unsern demokratischen Elementen lassen, der Tag war für einen Demokraten gerade so hübsch und erhebend, wie er häßlich und niederschlagend für einen Conservativen ausfiel. Es kamen da ganz blutrothe Reden und Geschichten vor, selbst der alte Fritz, der in effigie der Feier beiwohnte, mußte es gestatten, daß man ihm die phrygische Mütze aufsetzte. Es ließ sich erwarten, daß die nächste Festivität weit großartiger gerathen würde und das geschah denn auch.

Die Bourgeoisie befürchtete es; daher kam sie rechtzeitig, als sie hörte, man würde den Gürzenich beanspruchen, ein mit dem Gesuch um den Saal, da sie am 18. ein Concert für die Armen der Stadt zu veranstalten gesonnen sei. Die Bewilligung war zur Stelle fertig und als der demokratische Verein und Arbeiter-Verein sein Gesuch verlauten ließ, da meine man, es wäre schade, daß der Raum schon für den 18. behufs eines Concertes versagt sei. Aber diese Leute hielten den 19. März höher als den 18., an jenem Tage wollten sie feiern, was einige Stadträthe sehr ungeziemend fanden, da man sich doch nur über die Bewilligungen, die am 18. zugesagt worden, freuen könne, der 19. sei zu roth, es sei zu viel Bluth geflossen, man dürfe sich da nicht lustig zeigen. (Warum haben die Väter der Stadt früher den 18. October mitgefeiert?) Es half nichts, der Gürzenich wurde bewilligt. Der 18. kam und brachte das Concert mit denen, die dasselbe gerne hören mochten, waren 2000 und einige. Die Musik war ausgezeichnet; aber eine Geschichte wollte einem von meinen Nebenmenschen durchaus nicht zusagen, er meinte die Rede von Otto Sternau mit mehreren Musikeinlagen komme ihm nicht anders vor wie eine Fastenandacht, in welcher die Leidensgeschichte vorgelesen wird, zwischen die das Lied: „Petri Mutter stand mit Schmerzen“, geschoben wird. (Der Vergleich wird übrigens in mehreren Zeitungen von mehr als einem Correspondenten auftauchen.)

Am 19. kamen gegen 5000 Männer und Frauen zum Gürzenich und sie brachten alle mehr Begeisterung mit wie die Besucher des Concertes. Die Heulerbande, welche mit dem Vorsatze hinkam, das Fest zu stören, hatte nicht den Muth, ihr Gelüste zu befriedigen, weil sie gewahrte, daß man gesonnen war, die Ordnung um jeden Preis aufrecht zu erhalten. Es gibt eine Art Thiere, ich glaube, es sind Ochsen, welche durch rothes Tuch wüthend gemacht werden. So war es auch auf diesem Feste, man sah es manchen Leuten im Gesichte an, daß ihnen beinahe der Athem versagte, wenn so ein Mensch ganz in Roth gekleidet an ihnen vorbeihuschte, was nicht selten geschah. [...] Unter den vielen Rednern zeichnete sich Weyll vorzüglich aus, seine Worte glichen einem Fluch, der der halben Revolution galt. Rittinghausen demonstrirte ein Pereat für den künftigen deutschen Kaiser, den aber das Volk dreimal brüllend hochleben ließ. Als R. jetzt bemerkte, er habe dem Kaiser kein Hoch ausgebracht, sondern ein Pereat [Nieder!], es müsse gepfiffen werden, da pfiffen 5000 Kehlen, wüthend wie sie vorher hoch geschrieen. Folgende Redacteure sprachen: C. Camer, W. Wolff, H. Bürgers, F. Wolff, Fr. Engels und E. Dronke, der unter den Mitarbeitern der Jahreszeiten aufgezählt ist. Kein Mißton störte das Fest.

1849, 18.4.1849, Sp. 564-566. Köln. Petition gegen die Bürgerwehr. Empfang der Kaiser-Deputation. Malerschule. Zwist über die Trennung der Schule von der Kirche. Freiligrath und Hoffmann von Fallersleben in einem Damen-Emancipations Cirkel.

Die bei unserm Belagerungszustande so tragisch verendete Bürgerwehr sollte erweckt werden aus ihrer Ruhe, aber davon wollten unsere Heuler durchaus nichts wissen; daher beheulten sie einen Bogen Papier, in welchem sie beinahe so viele Irrthümer niederlegten, als sie Sätze heulten. Ich belege das mit einigen Beispielen. Ein Heulerseufzer lautet: „Der Bürger wird gegen den Bürger die Waffen gebrauchen.“ Eben darum wurde das Institut aufgelöst, weil man nicht gegen den Bruder einzuschreiten gesonnen war. Zweites Geheul: „Zum Schutze der gesetzlichen Ordnung ist die Bürgerwehr unzureichend.“ Wo das souveraine Volk sich in Unarten erging, da hörte der Scandal auf, sobald die bewaffneten Bürger erschienen. Daß damals Fenster zertrümmert wurden, wird man doch den Wehrmännern nicht anschreiben wollen, denn nachdem die Wehr entschlief, kam dergleichen auch noch vor. Wer mir das nicht glaubt, der bemühe sich zum Oberbürgermeister, zu von Wittgenstein und aufs Arbeiter-Bureau. Hauptgeheul: „Die Geschichte wird uns 60.000 Thaler kosten.“ Die Widerlegung trete ich der Trierschen Zeitung ab, die da sagt: Das wäre ein Grund, der sich hören lassen dürfte, wenn man ihn nicht umgehen könnte. Wir fragen einfach: Wieviele Kosten verursacht uns die Einführung im vor[igen] Frühjahre, und können wir die Waffen nicht wieder benutzen, welche wir damals besaßen? – Der Staat wird uns gerne die Waffen leihen, welche wir ihm kauften. Der Bogen Papier, der solchergestalt beheult wurde, wird mit Unterschriften versehen, dem Stadtrath mit der devoten Bitte überreicht, er möge beschließen, daß ferner nicht gebürgerwehrt werde.

Kölns Ehre ist bei verschiedenen Veranlassungen seit dem vorletzten März durchaus verscherzt worden, wie die in- und auswärtigen Elemente der Demokratie steif und fest behaupten; aber nun ist die Scharte ausgemerzt, die Kaiser-Deputation kam und gab dazu die Gelegenheit, und Köln hat sie nicht unbenutzt vorübergehen lassen. Als die Kaisermacher hier eintrafen, versammelte sich der Bürger-Verein ungewöhnlich stark, indem er zwischen 50 und 60 Mitglieder zusammen brachte, was ihm nicht oft gelingt. Es entspann sich eine großartige Debatte, ob man die Deputation an die Deputation in einem Fracke erscheinen lassen müsse oder nicht; nachdem die wichtige Frage sattsam erörtert war, zogen diejenigen, so einen Schwalbenschwanz besaßen, denselben an und setzten sich in Bewegung, und kamen wohlbehalten im Hotel Ditsch an. Der demokratische Verein beschloß auch etwas zur Verherrlichung des großen Abends zu thun, er wogte auch zum Gasthofe am Rhein, einer Lawine gleich, die Alles, was sie am Wege findet, mit sich fortreißt. Der Tag sollte mit einem Ständchen beschlossen werden. Es war ein ganz eigenes Lied, das uns in die mythologische Vorzeit versetzte und uns an die Wunder eines Arion36 erinnerte. Die Musik übte auf die Zuhörer einen so zauberhaften Eindruck, daß ein Heuler und ein Wühler mit einstimmten und sich darnach umarmten, selbst leblose Gegenstände empfingen Leben. So hat man gesehen, daß sich Steine aus dem Pflaster lösten, tanzten und sprangen, daß sie droben eine Scheibe zerbrachen. Selbst die großen Männer der Nation blieben nicht ungerührt; nachdem sie eine kurze Zeit vibrirt, zogen sie sich zurück, der Eindruck war zu mächtig für sie. Das war aber auch eine Nachtmusik! Die Marseillaise wand sich aus tausend Kehlen in das Dunkel; dazu spielten viele neu erfundene Instrumente und einige Drehorgeln, von denen eine ganz gemüthlich: „Freut euch des Lebens“ schnarrte. Wo das Aas ist, da versammeln sich die Adler – das Militair kam und erlöste den Bürgerverein und die Deputation aus ihren tausend Nöthen. So hat Köln seine Ehre gerettet! [...]

Raum und Zeit gestatteten es mir bis dahin noch nicht, die Frage über die Volksschule in den Jahreszeiten zur Sprache zu bringen, ich hole das nach. Vor einem Jahre ungefähr faßten die Lehrer den Muth, einmal ihre Angelegenheiten öffentlich zu verhandeln. Sie schrieben eine Versammlung nach Köln, die in Deutz stattfand. Es wurden hier herrliche Reden, wie man sie kaum hätte erwarten sollen, gehalten und eine Petition an das Parlament besprochen. Aber die Ausführung scheiterte an der Zaghaftigkeit des Präsidenten Schievenbusch von hier, der das Präsidium mit der Entschuldigung niederlegte, es würden Forderungen gemacht, welche er mit seinem Gewissen nicht in Einklang bringen könne. Nun verloren auch noch andere Leute den Kopf, man ließ die Ohren hängen und zog unverrichteter Sache wieder ab. Darnach kamen die Armen aber in’s Gedränge, sie hatten es mit den Bauern und der Geistlichkeit zu schaffen; unten jenen soll sich hin und wieder das Gerücht verbreitet haben, die Männer der Schule hätten die Proclamirung der Republik beabsichtigt und diese wurden irrthümlich berichtet, sie hätten sich förmlich von der Kirche lossagen wollen.

Das Kreuzfeuer, in welches die Leute nun geriethen, zwang viele von ihnen, in der Kölner Zeitung ihr Glaubensbekenntnis abzulegen. Es war sehr beklagenswerth, daß keine mit dem gehörigen Oppositionsgeist beseelte Schulzeitung zur Zeit bestand, die sich der Armen annahm, indem die Vorgänge im wahren Lichte dargestellt worden wären. Später ist eine solche in’s Leben gerufen worden und zwar durch einen Mann, der ganz dafür geschaffen ist, in der pädagogischen Literatur etwas zu leisten, – die Zeitung heißt „der rheinische Schulbote“ und der Herausgeber J. Schweitzer. Die Verfolgungen, denen er ausgesetzt ist von Seiten der Geistlichkeit, und das durch ihre äußere Lage bedingte Unvermögen der Lehrer, ein solches Unternehmen zu unterstützen, wird das rasche Aufblühen des Unternehmens sehr erschweren, vielleicht unmöglich machen. Es sind schon ganz interessante feindselige Feldzüge gegen die Schrift ausgeführt worden. So wird erzählt, daß ein Seminar-Director der Provinz einem Seminaristen die Zeitung confiscirte, daß der Pastor seinen Lehrer dergestalt in’s Bockshorn jagte, daß er das Blatt nicht weiter las, und in diesen Tagen noch tritt ein Pastor, ein gewisser Süß, in der Rheinischen Volkshalle auf und sucht Schweitzer den Satz: „dem Staat gehört die Schule“, dadurch umzustoßen, daß er die Worte Christi anführt: „Lasset die Kleinen zu mir kommen“ und „ihr Aposteln, gehet hin und lehret alle Welt“. Mit derlei Bibel- und Kirchenväterstellen füllt er drei Nummern, der geistreiche und gelehrte Mann.

Es gewinnt den Anschein, daß man sich viel zu viel versprochen, die Schulfrage wird dasmal noch nicht gelöst werden.

Am Sonntag Abend (15. April) verlebte ich einige recht heitere Stunden. Ein Freund hatte mir mitgetheilt, daß sich hier einige Damen zu emancipiren gedächten37, sie hielten ihre Zusammenkünfte in der Punschstube38 bei Kron; natürlich machte ich mich alsbald auf die Socken und fand die Frau des Anneke, eine Dichterin Emma und eine noch unbekannte Große und junge Laffen, als da sind: angehende Zeitungsschreiber, Zierbengel, Pflastertreter, die sich in schwachen Witzanläufen und faden Liebeserklärungen ergingen. Die Sache bekam plötzlich eine andere Wendung als F. Freiligrath und Hofmann von Fallersleben eintraten. Ich kenne wenig so angenehme Gesellschafter wie eben von Fallersleben. Er sang seine letzten Lieder, die die Gesellschaft sehr erheiterten; unter seinen neuesten Sängen zeichnete sich aus: „der Konstabler und die Kaiserdeputation“.

1849, 16.5.1849, Sp. 687-689. Köln. Politische Stimmung in der Rheinprovinz nach der Auflösung der zweiten Kammer.

Obschon man sich ziemlich allgemein, die ultrademokratische Partei ausgenommen, etwas ungehalten über die Haltung der zweiten Kammer äußerte, so fühlte man sich doch noch mehr verletzt, als das Ministerium den Streich gegen die Kammer führte. Das kam selbst unsern Bourgeois etwas stark vor, in allen Schichten des Volkes that sich der Unwille in Worten kund, natürlich je weiter unten, desto nachdrücklicher. Unser Gemeinderath schrieb einen Congreß aus, zu welchem er alle Gemeinden der Provinz aufforderte, Deputierte zu schicken. Das war sehr viel für eine Corporation,welche sich bereits durch viele Beschlüsse mit einem großen Theil der Bevölkerung verfeindete und das noch in der letzten Zeit, weil sie nichts von der Reorganisation der Bürgerwehr wissen wollte, – man hatte das nicht erwartet, daß die Räthe sich nun auch mit der Regierung in Conflict bringen würden. Die Versammlung wurde untersagt. Elf Gemeinderäthe beschlossen darnach, den Congreß dennoch anzuordnen, er ward auf den 8. d. M. anberaumt und von mehr als 500 Rahtsmitgliedern besucht. Die verschiedenen Beschlüsse sind Ihnen wohl schon bekannt. Der Hauptsache ist die: „die Reichsverfassung wird anerkannt und soll kräftig unterstützt werden, die Landwehr soll aufgefordert werden, sich nicht einkleiden zu lassen.“ Natürlich befriedigte dieses Resultat nur die Anhäger der rothen Republik nicht, alle andern Parteien fanden ihre Erwartungen übertroffen. Doch die meisten Mitglieder unsers Stadtrathes, dem sich noch sechs anschlossen, waren unschuldig an dem Ausgange, sie hatten sich genug gewehrt gegen die auswärtigen Herren. Als die Sache der Öffentlichkeit übergeben wurde, erschien schon zugleich ein Protest von unserm Ober-Präsidenten, er sprach der Versammlung die amtliche Befugnis ab und warnte vor der Ausführung, mit der es, Gott weiß wie, steht! Jetzt wenigstens ist die Bewegung noch nicht voraus zu sehen.

Was Köln betrifft, so reicht eine Volksversammlung der andern die Hand, es werden herrliche Reden abgehalten, in denen man viel vom lieben Herzblut spricht, aber auch zugleich zur Ruhe und Mäßigung ermahnt. Das Vernünftigste für Köln selbst, da ein entschiedener Anführer hier durchaus fehlen würde und da der Muth angeboren werden muß. Es würde uns schmerzlich, wenn der Kampf hier ausbrechen sollte, da das arme Proletariat den Nachtheil tragen würde. Dieses würde die Barricaden bauen und erschossen werden; auch würden nebenbei mehrere von den 20 hier erscheinenden Zeitungen verboten werden, was man hinsichtlich der Neuen Rheinischen [Zeitung], die es schon zu 5000 Abonnenten brachte, sehr bedauerte, da sie sich bei dem Volke mehr und mehr Sympathien erringt.

Allenthalben in der Provinz blieb es nicht so ruhig, wie bei uns. Die Bewegung nahm am 9. d. M. in Elberfeld ihren Anfang, es handelte sich um die Einberufung der Landwehr, die sich im Wupperthale versprach, sich nicht zu stellen; ein Bataillon vom 16. Regiment rückte dort ein, es wurden Barrikaden erbaut, im Gefechte fielen Soldaten und Bürger, von jenen ein Infanterie-Capitain und hier ein vor einer Stunde aus dem Gefängnis befreiter Sträfling, – beide wurden von den Bürgern friedlich Arm in Arm, wie man sagt, neben einander gelegt bis zur Beerdigung. Das Militair zog sich zurück, der Barricadenbau wurde wieder mit altem Fleiße aufgenommen. Nirgendwo in Deutschland sind so kostbare Gebäude dieser Art errichtet worden, wie hier, es befinden sich deren da von nur roher Seide, von Equipagen, deren eine zu 2000 Thlrn. veranschlagt wird, von Mahagoni-Meubeln aus dem von der Heidtschen Hause, und auf einer Barricade brannte das Feuer der Freiheit auf einem kostbaren Candelaber39 des von der Heydt, drum herum stehen Blumentöpfe. Das Haus des Ministers von der Heydt ist im Innern demolirt, sein Bruder wurde gefangen genommen und bewacht und seinen Sohn sucht man vergebens, um ihn als Geißel zu besitzen. Die Sturmglocken riefen die Bewohner des sehr bevölkerten Tales zur Hülfe herbei, jetzt (14. Mai) sind dort mehr als 10.000 Streiter schon zusammengeströmt, das Militair ist der Stadt noch nicht auf den Leib gerückt. Im Falle, daß dieses geschieht, wird es zu einer äußerst blutigen Schlacht kommen. Am vernünftigsten wäre es, man ließ die Leute in Ruhe, bis sie der Sache selbst müde werden, was nicht lange mehr anstehen wird, denn jenes Gerücht, die Insurgenten beabsichtigten von hier auszuziehen den Rhein hinauf, den Pfälzern entgegen, wird sich nicht bestätigen, die Geschichte hier unten ist weit harmloser Natur. Man hält es nur mit der Reichsverfassung und ist des Ministeriums müde geworden. Wir glauben sicher, wenn die Leiter der Bewegung ihren Untergebenen von der Republik redeten, sie würden todtgeschlagen. Es muß sich übrigens bald zeigen, ob die Bewegung sich nicht über das Thal der Wupper heraus erstrecken soll, vielleicht ist das schon vor dem Schluß meines Briefes entschieden. Das steht fest, Elberfeld und seine Umgebung sind für die erste Zeit ruinirt, 25 Jahre lang werden die Nachwehen dauern. Gleichzeitig mit dem eben skizzierten Aufstande brach es in Neuß, in Düsseldorf und an einigen Orten in Westphalen, besonders in Iserlohn los, auch von Düren, Gladbach und Siegburg sind Nachrichten eingelaufen. In Düsseldorf wurde die Revolution bald vom Militair gedämpft, hier sind leider viele Opfer gefallen, dann wurde der Belagerungszustand proclamirt.

Es ist heute (15. Mai) schon durchaus nicht mehr zu leugnen, daß die Aufregung schon thalwärts wandelt, in Elberfeld denkt man schon an’s Capituliren, von Iserlohn sandte man eine Deputation nach Münster an den Commandirenden, daß er seinen Einfluß bei dem Könige verwende, er möge der Stadt seine frühere Liebe wieder zuwenden, und hier gibt es auch schon nicht jeden Tag eine Volksversammlung und einige Placate. Das letzte von diesen war in der That ziemlich naiv, es flehte: „Wer die Einigkeit Deutschlands lieb hat, der bringe Geld.“ An diesem Tage schien die Liebe erstorben. Der Blick der Provinz wendet sich nun der Pfalz zu, wo der Aufstand einen höhern Grad wie hier erreichte, von da aus dürfte sich vielleicht ein gefährlicheres Hochgewitter durch das Land wälzen, von da aus wird, wenn auch diesmal noch nicht, die Umgestaltung Deutschlands ausgehen.

1849, 20.6.1849, Sp. 825-827. Köln. Politische Seifenblasen. Eine Rebellenleiche. Die Westdeutsche Zeitung. Confiscation von Waffen. Truppenbewegungen. Reise des Prinzen von Preußen zur Pfalz.

Die 500 Gemeinderäthe, welche uns besuchten und so pausbäckig thaten, als hätten sie irgendwo ihren ordinairen Muth multiplicirt, um sich in den Stand zu versetzen, die politische Bewegung in ihre Hand zu nehmen und rasch zu Ende zu führen, haben, wie so manche andere Versammlung, nur Seifenblasen geschlagen. Aus ihrer ganzen Geschichte ist nichts geworden als dieses, daß mehrere von ihnen gerichtlich angegangen werden. Die Leute verdienen es, daß sie ohne Ausnahme in Anklagezustand versetzt werden, sie, die National-Versammlung, mehre andere Parlamente und die ganze Demokratie. Sie sehen, ich beginne reactionair zu werden, streife an einen Ihrer Correspondenten im Osten! –

Das liebe, pietistische Wupperthal lenkte auch von seinen gottlosen Pfaden wieder ab. Die armen Leute müssen in der That merkwürdig mordsüchtig gewesen sein, da sie denjenigen nunmehr die Hände küssen, welche ihnen zu verstehen gaben, sie möchten doch nicht daran denken, daß man ihren Forderungen Folge leisten werde. Barmen und Elberfeld zanken sich darum, wer am meisten schwarzweiß sei.

Drei Tage nach Absendung meines letzten Briefes erschien die Neue Rheinische Zeitung zum letzten Male, keine ihrer Nummern hat das Aufsehen erregt, wie gerade die letzte, welche von A bis Z roth gedruckt war. Der Andrang zur Redaction war wahrlich großartig, gegen 20.000 Exemplare mögen abgesetzt sein, von denen einige jetzt schon um einen Thaler erstanden wurden. Man treibt mit der Ausgabe vom 19. Mai wahre Abgötterei, hin und wieder hört man, daß sie in kostbare Rahmen gefaßt wurde. Ergreifend ist die fürchterlich-schöne Poesie im Abschiedswort von F. Freiligrath, der die sinkende ‘Rebellenleiche’ unter anderem die Worte sprechen läßt:

Auf der Lippe den Trotz und den zuckenden Hohn,In der Hand den blitzenden Degen,Noch im Sterben rufend: „die Rebellion!“So bin ich mit Ehren erlegen.O, gern wohl streuten mein Grab mit SalzDer Preuße zusamm mit dem Czare – Doch es schicken die Ungarn, es schickt die PfalzDrei Salven mit über die Bahre!“

Der Demokratie darf man es so sehr nicht verargen, wenn sie nach diesem Verluste „Schwarz“ trägt. Eine so kampfgerüstete Kriegerin wird so bald nicht wieder erstehen. Schon einige Tage später tauchte die „Westdeutsche Zeitung“ auf und zwar auch mit großer Entschiedenheit, was schon daraus erhellt, wenn ich ausführe, daß sie in Berlin und Düsseldorf bereits verboten wurde, anderer Verfolgungen nicht zu gedenken, außer der folgenden: Bald nach dem Erscheinen der Westdeutschen, als sich schon die meisten Redacteure der N. Rh. Ztg. von hier nach andern Orten übersiedelten, erschien in mehreren Zeitungen eine Verwahrung, von 7 Redacteuren unterzeichnet, in welcher sie ihren Correspondenten und dem Publikum mittheilten, daß sie durchaus nicht an jenem Blättchen, die Westdeutsche, betheiligt seien, welche Erklärung vorzüglich eine Correspondenz im Frankfurter Journal veranlaßt haben soll, indem man den Verdacht hegte, als sei der Berichterstatter zu günstig für die Erstandene und zu feindselig gegen die Hingeschiedene aufgetreten. Aber das darf nur als Vorwand zu der lieblosen Epistel betrachtet werden, indem der Correspondenz stets der Rh. das Wort redete, jenen Vorwurf, der das Schimpfen betraf, in welchem sie sehr stark war, aber auch schon früher an demselben Orte zur Sprache brachte. Die Westdeutsche wurde nur gewarnt, nicht in denselben Fehler zu verfallen. Man begriff es, daß diese Zeitung ihren Leserkreis sicher finden werde und dem Wiederaufkommen der Rheinischen sehr hinderlich sein könne. Das war es, was diese Polemik zwischen geistesverwandten Männern in’s Leben rief. –

Als droben in der Pfalz die Bewegung recht in den Schuß gekommen, da fand sich unsere Polizei unter militairischer Begleitung bewogen, nachzusehen, was die Rheinische Eisenbahn aus dem Auslande uns Neues bringe. Die Mühen der Herren Visitatoren sollten nicht unbelohnt bleiben, denn in nur einigen Tagen confiscirten sie 2400 Gewehre und Büchsen, 400 bis 500 Pistolen und mehr wie 100 Hirschfänger, welche Waffen sammt und sonders ins Zeughaus übergesiedelt wurden. Es hieß, diese Sendungen seien für die Pfalz bestimmt, aber an ein hiesiges Handelshaus adressiert gewesen. Die Nachricht von der Beschlagnahme und der Revision der eintreffenden Waaren fand sehr bald den Weg ins Ausland, was nicht ohne Einfluß blieb und auch vor andern als Waffensendungen zurückscheuchte.

Zu dieser Zeit hatte es sich auch schon entschieden, daß die Unterdrückung der Schilderhebung in Baden und in der Pfalz Reichstruppen erfordere. Daher verfloß seit da kaum ein Tag, an welchem nicht mehrere Bataillons oder doch wenigstens eins Köln berührte. Es waren meistens Landwehrleute, kräftige Gestalten mit bärtigen Gesichtern, deren Ausdruck es deutlich ansagte, daß sie, wenn sie ernstlich gesonnen seien, viel zu leisten im Stande seien. Wer das Hauptcommando über die Reichstruppen übernehmen werde, darüber war man sich bis zu den letzten Tagen uneinig. Die Triersche [Zeitung] hat es mit ziemlicher Gewißheit schon vor längerer Zeit gemeint, der Prinz von Preußen würde wohl an die Spitze treten. So wird’s dann auch gekommen sein. Vor acht Tagen hieß es plötzlich am Abende, derselbe komme mit dem Berliner Bahnzuge gegen 7 Uhr an und werde unverzüglich das Dampfboot „Schiller“ besteigen und den Rhein hinaufsegeln. Zu der bestimmten Stunde drängte es sich schon am Bahnhofe, wiewohl man die Ankunft schien geheim halten zu wollen. Etwas später bemühte sich unser Stadt-Commandant zur Stelle. Er mochte mit der Stimmung des Volkes nicht so ganz zufrieden sein, daher requirierte er seine treuen Vierunddreißiger, die sehr kurzen Prozeß machten, indem sie das Volk halb am Rheine hinauf und bald an denselben hinan drängten. Der Zug verspätete sich ungewöhnlich gegen 10 Uhr, dann kam er und brachte den Prinzen nebst einer militairischen Bedeckung mit. „Schiller“ blieb ruhig an der Landungsbrücke liegen bis um Mitternacht, wo man schon die Betten gesucht hatte, dann schwamm er aufwärts. Nichts störte seine Ruhe. Im Oberlande hat man, wie Sie schon gewiß erfahren haben, auf den Prinzen geschossen. Der Krieg ist nun droben entbrannt. Über den anfänglichen Erfolg coursiren Gerüchte über Verluste preußischer Regimenter, besonders soll schon das 28. gelitten haben. Ein Prinz und der General Hirschfeld sollen stark verwundet sein; aber das Alles ist nicht zuverlässig, da die Nachrichten spärlich und unsicher sind.

1849, 18.7.1849, Sp. 951-953. Köln. Nachrichten über hiesige Literaten. Die Cholera. Urwahlen. [...]

Neues von Belang wüßte ich Ihnen nicht zu berichten aus der letzten Zeit, es sei denn, daß ich Ihnen mittheilte, wie L. Schücking sich mit den hiesigen Journalisten zankt, die da meinen, er sei ein Jude, was ihn nicht wenig empört, oder daß O. St. (Otto Sternau wahrscheinlich) eine wahrhaftige Thräne der Jenny Lind sich rühmt getrunken zu haben, wonach sein krankes Herz völlig genesen sei, oder auch, daß der Sänger am Rhein, Karl Kramer, den Entschuß faßte, in Pfalz-Baden Deutschland frei machen zu helfen, nach reiflicher und gesunder Erwägung aber droben eine Stelle an einer Eisenbahn antrat, oder schließlich, wie Frau Anneke ihren lieben Kanonenfritz aufsuchte auf dem Kriegsschauplatze, und daß Ihr Mitarbeiter, der Verfasser des Herrensohnes, sich angelegentlich mit Hochzeitsliedern für sich selbst befaßt.

In den letzten Tagen hat die Sache für die Journalisten eine bessere Gestaltung angenommen, als die Cholera hier erschien und ihnen Gelegenheit bot, sich sehr geistreich darum zu zanken, ob sie es sei oder nicht.

Die Krankheit erschien in einer kurzen Proletarier-Straße und raffte in sehr wenigen Tagen hier an 30 Menschen dahin. Es ist außerordentlich auffallend, daß dieselbe sich bis jetzt nicht über den Schauplatz ihres ersten Auftretens hinaus erstreckte, leicht möglich ist es ihr, da man anfänglich wenig Sorge trug, ihr in den Weg zu treten, erst in den letzten Tagen hat man begonnen, die Erkrankten in das Spital zu befördern. Ferner denkt man nicht daran, von Seiten der Sanitäts-Polizei, Ärzte in die Schulen zu schicken, wo das Übel doch auch schon einriß. Von hieraus könnte man gerade etwaige Verhaltensmaßregeln unter das Volk bringen. Vom Absperren der bezeichneten Straße ist nicht die Rede. Wir hörten einen Geistlichen sich über diesen Punkt äußern, daß man sich erst dann recht rühren werde, wenn die Krankheit in das Revier eines Stadtrathes gelange oder sich in den Palästen der Reichen nähere. Der politisch gemarterte Dr. Gottschalk, ... fängt wieder von vorne an, er besucht die Kranken unentgeldlich und behauptet, wir hätten mit der asiatischen Cholera noch nichts zu schaffen, was den Aussagen anderer Ärzte schnurstracks engegen steht. Am Ende ist Gottschalk eben so unsicher, ob die Krankheit die Cholera nicht ist, als die andern, daß sie es sei.

Das Wahlgesetz hat sich keiner günstigen Stimmung bei der größeren Hälfte des Volkes zu erfreuen. Der Arbeiter-Verein ist für das Nichtwählen, und die democratische Gesellschaft beschloß, jenen Verein zu copiren in dieser Angelegenheit und das ist vollkommen gelungen. Man vermißte jenes Leben in den Wahllocalen, das sich bei der letzten und vorletzten Wahl äußerte, – diesmal hatte man nicht Ursache, besorgt zu sein um seine Zehen und Rippenstöße gab’s auch nicht, denn von 300 Urwählern erschienen kaum durchschnittlich 15 bis 20 Mann, – diese Lauheit hatte Niemand erwartet, – das ist so eine Art passiver Widerstand. [...]

1849, 15.8.1849, Sp. 1084-1085. Köln. Die projectirte Kettenbrücke. Die Cholera. [...]

Daß man sich um einzelne Familien wenig scherte, wenn es galt, irgend einem Großen einen Gefallen zu erweisen, das ist im Leben zu oft schon erwiesen. Aber daß man sich um 1½ Stadt nicht kümmert, beide vielleicht dem Pauperismus in die Arme legt, um auf die Wünsche einiger Eisenbahn-Actionaire einzugehen, das ist doch etwas stark. Es handelt sich um die Erbauung einer Kettenbrücke über den Rhein zwischen Deutz und Köln. Die Ansichten über den Ort, wo der Bau ausgeführt werde, sind verschieden. Eine Fraction wünscht dieselbe unterhalb Deutz zur Trankgasse nach Köln angelegt, wodurch die Köln-Mindener Eisenbahn mit der Rheinischen verbunden würde, während ganz Deutz und besonders das mittlere Köln die Brücke dahin verlangt, wo jetzt die stehende ruht. Es ist nicht zu läugnen, daß aus der Verbindung der beiden Bahnen für das reisende Publikum große Vortheile ersprießen und auch, daß die Ausführung des Projectes mit bedeutend weniger Kosten unten über den Rhein verbunden ist. Ferner wird durch diese Anlage unser Dom sehr verschönert werden, da der Bau von seinem Fuße aus anheben soll. Doch auf alle diese Vortheile geht die Opposition nicht ein, sie sagt: die vom Kaiser Constantin im Jahre 308 erbaute und vom Erzbischof Bruno im zehnten Jahrhundert zerstörte steinerne Brücke stand beinahe da, wo jetzt die stehende Brücke erbaut ist, und wo vor dieser die fliegende für die Überfahrt sorgte, man ging also seit mehr wie ein und ein halbes Jahrtausend von dem Grundsatz aus, daß es billig sei, den Verkehr dem Mittelpunkte der Stadt zuzuwenden. Durch diese Ansicht, die bis jetzt fortwährend geltend blieb, gab man Deutz die Garantie, jene comfortabeln Gasthöfe und Erlustigungsorte, die seit einigen Jahren dort eingerichtet wurden, nicht umsonst anzulegen. Ferner ermuthigte man die Kaufmannschaft, gerade die elegantesten Läden und die bedeutendsten Waarenlager in dem Herzen der Stadt anzulegen, in den Straßen, durch welche die Rheinbrücke die Passage wies. Würde jetzt der Übergang zum Dome verlegt, dann ist nichts natürlicher, als daß sich jeder Verkehr dieser Stelle zuwendet. Deutz wird umgangen und der Verarmung überantwortet, im mittleren Köln, wo von jeher Besitz in hohem Werthe stand, muß der Werth des Grund- und Häuser-Besitzes sehr sinken, man wird hier, um wieder eine Existenz zu gründen, das Eigenthum billig abzusetzen genötigt sein, um sich im nördlichen Köln, das neu aufblühen wird, theuer anzukaufen. Weiter sagt man: Es sei nicht nöthig, daß man jenen Quadratfüßlern wieder auf die Beine helfe, die vor einigen Jahren in ihren tollkühnen Schwindeleien sich so viele Plätze und Häuser unten am Rheine für unvernünftig hohe Summe erwarben, daß sie ihr Leben lang genug davon haben, wenn sie selbst sündigten, dann mögen sie auch die Buße verrichten, fremde Leute geht das nichts an. [...] Die Leute brauchen aber nicht zu fürchten, sie bekommen die Brücke wahrscheinlich. [...]

Die Cholera hat in manchen Straßen recht rüstig aufgeräumt, in einer kurzen Gasse starben in kaum zwei Monaten 84 Menschen, die Sterblichkeit hat ihr sonstiges Verhältnis bedeutend überschritten. Im Juli hatten wir 100 Sterbefälle mehr als in den Juli der fünf vorhergehenden Jahren. Es ist übrigens die Cholera nicht allein, die die Bevölkerung heimsucht. Neben ihr schreiten noch andere Übel einher, die wahrscheinlich durch den häufigen Witterungswechsel hervorgerufen werden. [...]

1849, 19.9.1849, Sp. 1241-1244. Köln. Die Cholera. Frau Schapper. Dr. Gottschalk. Die Westdeutsche Zeitung. [...]

Das ist ein ganz infames Jahr. Nachdem es den Menschen die Errungenschaften des vorletzten März so vor und nach entzog, nimmt es sich nun die Leute selbst und legt sie in die kühle Erde. So unerbittlich grausam hat der Tod seit langer Zeit nicht die Gesellschaft ergriffen. Der Säugling, noch eben gesund, liegt im folgenden Augenblicke kalt an der Mutter Brust; der Mann, im kräftigsten Alter, eilt heute noch elastischen Schrittes über die Erde dahin, die ihn morgen schon für ewig deckt; gestern Abend stand ich an einem Grabe, in das man alle Hoffnungen einer braven Jungfrau hinabsenkte. Am 29. August erschien ich mit meiner jetzigen Frau vor dem Civilstands-Beamten, um mich trauen zu lassen, ein anderes Paar verließ den Saal. Als ich am nächsten Morgen dem jungen Ehemann begegnete, trug er Flor, er kam vom Friedhofe, seine Frau hatte sich auf den letzten Strahl ihrer Hochzeitssonne geschwungen und eine Reise angetreten, zu welcher es keinen Retourweg gibt. Es ist schauderhaft, wie in wenigen Tagen die zartesten Familienbande zerrissen werden von jenem furchtbaren Genius, den man hin und wieder den schwarzen Tod, allenthalben die Cholera und in den Hütten unserer Proletarier die Arme-Leute-Krankheit nennt, da sie sich hier ganz besonders gefällt. Am 8. und 9. d. M. erkrankten 97, am 10. 63, am 11. 72 und am 12. 40 Menschen. Nehmen Sie ungefähr 2/3 dieser Erkrankungen als Sterbefälle an, dann haben Sie das Verhältnis zwischen Genesung und Tod.

Es sind auch schon Leute von Bedeutung von dem schwarzen Engel umarmt worden. Aufsehen machten besonders zwei Leichen, welche die Demokratie zu Grabe trug. Die erste von diesen war die Frau des ehemaligen Correctors der Neuen Rheinischen Zeitung, Karl Schapper, der seit längerer Zeit schon in einem Wiesbadenschen Gefängnisse sitzt und dem Augenblicke entgegensieht, in welchem er endlich vor den Assisen erscheinen darf. Dieser Sterbefall ist in der That sehr beklagenswerth, – er schuf drei Waisen, für die zwar gesorgt ist, aber noch nicht hinreichend. Freiligrath nahm das älteste Kind zu sich, er statuirte ein Beispiel, das noch bessere Nachahmung verdient wie bis dato. Er auch hat den Sterbezettel geschrieben, der allgemeines Aufsehen erregte. Ich teile Ihnen die Hauptsache aus demselben mit in diesen Worten:

Sie war ihrem Manne bei Ausbruch der deutschen Revolution aus England nach Deutschland gefolgt; die Begeisterung, mit der sie seiner und unserer Sache anhing, ließ sie tausend Beschwerden und Unannehmlichkeiten, denen auch das Weib des Freiheitsapostels, zumal im fremden Lande, ausgesetzt ist, freudig und willig ertragen. Die deutsche Revolution hatte ihr für ihr stilles Martyrthum nur ein Grab zu bieten – ein Grab in unbefreiter Erde! Freunde ihres Mannes haben der Frau des Gefangenen die Augen zugedrückt. Außer dem Säuglinge blicken noch drei unerwachsene Kinder über das Grab der Mutter nach dem fernen Gitterfenster des Vaters.

Sei ihr die fremde Erde leicht! Wenn dereinst die Sonne der Freiheit und der Menschlichkeit auch über Deutschland aufgeht, um nicht wieder zu sinken, so wird sie auch diesen Hügel wärm und liebevoll vergolden!

Cöln, den 2. September 1849. Im Namen des Arbeiter Vereins: Das Comité.

Ein sehr zahlreiches Gefolge begleitete die irdischen Reste dieser Demokratenfrau zum Kirchhofe. Aber von weit größerer Bedeutung war der Trauerzug, welcher dem Todtenwagen folgte, der Dr. Gottschalk in sich aufgenommen. Es ist nicht nöthig, Ihnen den Lebenslauf dieses Mannes seit dem März v. J. hier einzuflechten, da Alles das, was er that und erlebte, schon in den drei letzten Bänden der Jahreszeiten enthalten ist. Es ist nur beizufügen, daß er nach seinem Processe vor dem Schwurgericht sich zurückzog und bei Bonn auf dem Lande lebte, was einige hochnasige Vertreter der Demokratie auszubeuten suchten, um den früheren Präsidenten des hiesigen Arbeiter-Vereins bei ihrer Partei, die auch stets die seine war, in den Geruch eines Reactionairs zu bringen, aber vergebens. Denn man wußte, was er schon alles für seine Ansichten in die Schanze geschlagen, und wie fest er bei einer einmal gefaßten Überzeugung stand. Man war zu der Einsicht gelangt, daß er bei dem Umschwunge der Dinge für jetzt nicht fortwirken konnte mit jener rastlosen Thätigkeit, welche er im vorigen Jahre entfaltete. Und die letzten Monate sollten es erhärten, daß er seinen Arbeitern noch eben so nahe stehe, wie vor dem Proceß, denn sobald, als die Cholera in die Reihen seiner Freunde einbrach, da fand er sich ungesäumt ein und eilte Tag und Nacht in jene elenden Hütten, wo der Bettler mit der Pest rang. Nur einige Tage war er hier wieder aufgetreten, da hatte er auch schon wieder die Herzen derer für sich gewonnen, die an ihm irre geworden, an allen Orten wurde seine Liebe, seine Selbstaufopferung zum Tagesgespräch. Sein Tod hat ihn in Köln unsterblich gemacht. Man geht schon mit dem Gedanken um, ihm ein Monument zu setzen, das gewiß, wenn es zu Stande kommt, seines Gleichen auf unserm Todtenacker vergebens suchen wird. Jene 4000 Männer, welche sich dem Sarge anschlossen, sind allein im Stande, das Project zu realisiren. [...]

1849, 3.10.1849, Sp. 1309-1311. Köln. [...] Militair-Durchzüge.

[...] Die Militair-Durchzüge aus Baden sind an der Tagesordnung, es vergeht kein Tag, an welchem wir nicht fremde Truppen zu Gesicht bekommen. Woher das Geld noch all kommen soll, welches die Jahre 48 und 49 verschlingen, das mögen die Götter wissen!

1849, 7.11.1849, Sp. 1464-1466. Köln. Anfang November. [...] Biographie des Dr. Gottschalk. Johann, Verweser des Reichs. [...] Kirche und Staat.

[...] Dr. Gottschalk, der vor einigen Monaten der Cholera erlag, die jetzt in den letzten Zügen liegt, soll ein Monument erhalten. Das Comite gab in diesen Tagen eine Broschüre heraus, welche die Biographie dieses Mannes enthält. Der Herausgeber ward durch H. Hölscher besorgt, der früher hier am Steuer-Amte angestellt war und die Unvorsichtigkeit beging, ein Buch über den Communismus zu schreiben und zwar in einer Zeit, wo die Reaction wieder die Höhe des Berges erstiegen hatte, was seine Amtssuspension zur Folge hatte. Er hatte in der That eine Strafe verdient, weil er ein so schlechtes Buch schrieb, jetzt aber, nach der Herausgabe dieses Nekrologes würden wir seine Wiederanstallung beantragen, wenn er nicht eine Vorrede und eines seiner Gedichte dem Werkchen einverleibt hätte, wenn er nur die Biographie nackt an’s Licht treten ließ, die von dem Brudes des Verstorbenen besorgt wurde und sich auszeichnet vor andern derartigen Erscheinungen, die selbst Freys Buch über Robert Blum weit zurückläßt. [...]

Der Reichs-Verweser reiste in den letzten acht Tagen zweimal durch Köln, keinmal fand eine Demonstration statt, – man erwartete vom alten Johann nichts mehr. [...]

Kirche und Staat beginnen wieder, sich stark zu fühlen; daher liegen sie sich auch wieder in den Haaren, wozu Münster und Trier Belege liefern, – man zankt sich um die Besetzung geistlicher Stellen an den Schulen. Beide Parteien werden sich noch mehr kräftigen, erstere, indem sie häufige Prozessionen, Ausstellungen der Reliquien und Festivitäten veranlaßt, um das Volk wieder an sich zu ziehen, und letztere wird sich durch die Gewalt der Bajonette Achtung zu verschaffen suchen. Der Bürger wird für die erste Zeit einsehen lernen, daß mit der Soldateska nicht gut Nüsse knacken ist, daß er stets im Nachtheile ist, wie wir das in diesen Tagen in dem angrenzenden Westphalen, in Paderborn, gewahren. Die Kirche wird ihren Zweck für längere Zeit erreichen, wie der Staat.

1849, 28.11.1849, Sp. 1565-1566. Köln Den 28. November. [...] Die Flucht des Erzbischofs. Der Prinz von Preußen. [...]

[...] Acht Tage lang zogen in unsern Mauern schreckliche Gerüchte um über bevorstehende Kriege zwischen dem Staate und der Kirche. Zu diesem Zwecke ließ man unserm Erzbischof vor Preußen ins Ausland entfliehen und suchte alle alten Prophezeihungen hervor, die von jenem großen Blutbad um Köln Meldung thun. Der Lüg- oder Spiel-Bähn war vorauf; ihm folgten: die Verkündigung eines großen und schrecklichen Gerichts, in welcher Broschüre man dem lieben Gott durchaus erbärmliche Verse in den Mund legte, der fliegende Mönch bei Metternich, ein neuer Prophet; die Seherin von Marseille, welche behauptet, daß im Jahre 1860 der größte Theil der Menschheit schon aufgerieben sei, daß ganze Felder mit Gräbern bedeckt, und die Welt nur noch aus Kindern bestehe; und schließlich der Kardinal Laroche, welcher da sagt: „Jedermann sehe sich auf die Jahre 49 und 50 wohl vor, denn in ihnen werden Dinge geschehen, die auch die Klügsten irre machen können. Es ist nicht der Krieg, nicht die herrschende Theuerung, sondern: – Habet Acht, daß eure Lampen nicht erlöschen!“

Man sollte meinen, der Mann redete von der Reaction. Dann mag er Recht haben. Das Volk, besonders das untere, meinte, es müsse losbrennen, der liebe Gott werde es nicht ruhig ansehen, daß der Bischof die Flucht ergreifen mußte und wofür den eigentlich alle Prophezeiungen da seien; aber unser Kirchenfürst saß daheim. Als er sich wieder öffentlich zeigte, verschwanden alle Kriegsgerüchte wie durch einen Zauberschlag. Es geschah das auf den Tag des heil. Martin, an welchem auch der Prinz von Preußen hier anlangte. Am Tage der Ankunft geschah nichts Großes, als daß der General Kaiser von der Landungsbrücke in den Rhein fiel und nicht ertrank. Am zweiten Tag war Parade und am dritten fuhr er wieder fort. – [...]

1849, 19.12.1849, Sp. 1661-1663. Köln Ende December. Einleitung. Das Stollwerk’sche Etablissement. Worüber ich nicht schreiben will.

Schon wieder stehen wir am Rande eines Jahres. In diesen zwölf Monaten haben wir mehr verloren, als wir vielleicht in zwölf Jahren wiederfinden. [...]

Wir erwähnten zuverschiedenen Malen schon das Stollwerksche Café, weil sich dort der Kölner im Jahre 48 seinen ersten Freiheitsträumen hingab. Es erging dem Haus, wie den Hoffnungen auf eine bessere Zeit, bald standen die Freunde des Locals trauernd vor einem kläglichen Aschenhaufen, – das schöne Gebäude war in Staub zusammengesunken, wie die Wünsche der liberalen Partei auf eine goldene Zukunft, die sich nur als Nebel erwiesen, welche sich vor dem bewaffneten Blick der Reaction zerteilten. Möchte dieser Ort ferner ein Vorbild der Demokratie sein, möchte sich diese aus ihren Träumen erheben, wie dieses neue Haus, das an den Phönix der Alten erinnert. Ihr mögt in Hamburg schöne Cafés haben, aber ein comfortableres, wie das neuerstandene unseres Stollwerk, vermögt Ihr mir nicht aufzuweisen. Hört und urtheilt selbst!

Zuerst gelangt man in den Saal, wo die Herxschen Instrumente ewig singen. Zur Seite ist das Büffet aufgeschlagen. Wer es vorzieht, nahe bei der Musik zu sitzen oder mit dem Büffet zu liebäugeln, der mag sich hier niederlassen, an Raum fehlt es nicht für mehrere 100 Menschen. Von hier gelangt man in den Hauptsalon, an den Ort, den die Damen beziehen, welche ein neues Toilettenstück der Schau auszustellen wünschen. Dieser Ort, der über die Maßen groß und stets besetzt ist, gewährt links die Aussicht in das Lesezimmer und geradeaus in den Billardsaal. Dort bieten sich dem Besucher zwischen 20 und 30 Zeitungen zur Lectüre an, unter denen wir gottlob keine der Hamburger Zeitungen antreffen, nachdem den „Nachrichten“ die Thüre gewiesen wurde. Herr Stollwerck wird hoffentlich noch einige andere an die Luft setzen und vor allen die „Wienerin“, wenn er nicht unsern literarischen Zorn heraufgeschwören will. Diese vier Säle sind auf das Eleganteste tapeziert und mit kostspieligen Spiegeln und wertvollen Ölgemälden bekleidet.

Seitdem dieses Local eröffnet wurde, stellte sich hier eine hoffnungsvolle Fluth ein, was natürlich in der Börse, bei von Thenen und an anderen Orten die Ebbe zur Folge hatte. [...]

Wenn ich mir nicht vorgenommen, die Politik nicht zu berühren, dann würde ich Ihnen von dem glänzenden Bankett für Waldeck und Jacoby erzählen, bei dem die Polizei das Liedersingen unsanft vor die Thür setzte, [...] – würde anführen, daß Venedey wieder hier, aber noch nicht für die Kölner Zeitung schreibt, [...] so aber muß ich dieses und vieles Andere verschweigen. Leben Sie wohl im künftigen Jahre.

1850, Sp. 151-152. Köln. Ende Januar. Das Schwurgericht. Stadtrathwahlen. Die Wahlen für Erfurt. J. Venedey.

Ein so liberales Schwurgericht bargen unsere Mauern noch nicht, wie in dieser Saison. Zuerst stand der Redacteur der Westdeutschen Zeitung, Becker, vor den Schranken, angeklagt, die Ehrfurcht gegen den König verletzt und den Prinzen von Preußen sammt dem General von Hirschfeld beleidigt zu haben. Aufsehen machte das Erscheinen eines langbärtigen Polen, der eigens aus dem Osten hierher reiste, um als Zeuge für Becker aufzutreten. Am Abend spät erfolgte die Freisprechung.

Des andern Tages wurde der Notariats-Candidat Bermbach den Geschworenen vorgestellt, weil er mit zu den Abgeordneten für Frankfurt gehörte, die sich nach Stuttgart begaben. Er wurde, wie auch Jacoby, freigesprochen.

Nun citirte man in der Person des hiesigen Antiquars Treitz einen Majestätsbeleidiger vor die zwölf Männer, dem in einem Privatgespräch der Name Spitzbube entwischt war; auch er war nicht schuldig.

Jetzt gastirten sechs Bürger aus Mühlheim drei Tage lang vor den Assisen, weil sie während des Elberfelder Maiaufstandes die Eisenbahn demolirten. Auch diesen wollten die Geschworenen nichts anhaben.

Unsere alten Conservativen würden sich die Perrücken vom Schädel aus Verzweiflung ziehen, wenn ihnen bei den jetzigen Stadtrathwahlen nicht einiger Ersatz würde, indem die liberale Partei fast stets unterliegt. Diese verdient den Unfall, da, wenn sie rührig genug wäre und mit der erforderlichen Vorsicht zu Werke ginge, ihr der Sieg bei den fünf Wahlen für die dritte Klasse nicht entgehen konnte. Da begeht man aber die Tollkühnheit, als ersten Kandidaten den Steuerverweigerer Borchardt in’s Treffen zu schieben. So allein war es möglich, daß der Schuster Schützendorf, den jeder Liberale einen Renegaten nennt, die absolute Majorität erlangte, ein Mann, der nicht einmal berechtigt ist, mitzuwählen, [...] weil er nicht zu einem Einkommen von 400 Thalern eingeschätzt und nicht in der Wahlliste zu finden war. [...] Darnach setzten die Fortschrittsmänner ihren Candidaten Jak. Horst durch, der einzige Sieg, dessen sie sich zu rühmen haben. Dann wurde der Stadtbaumeister Harperath gewählt, weil der Advocat Schneider II., Abgeordneter für Berlin, den Conservativen als Republikaner dargestellt wurde. Der vierte Rath ist ein Domherr, der Inspector Dr. Broix; der letzte eine unbekannte Größe, Schemmer [...] In der nächsten Woche beginnt die Wahl für die zweite Klasse. [...]

Am Donnerstag werden die Urwähler zusammentreten, oder besser, sie sollen sich versammeln, diejenigen Männer zu bestimmen, in deren Hand die Abgeordneten-Wahl für Erfurt gelegt wird. Bis jetzt hat noch niemand an den Wahltag gedacht. Der Hauptpius-Verein hat beschlossen sich als Verein nicht zu betheiligen. Nur die Volkshalle, in deren Nähe es stark nach Fichtenholz riecht, da sie schon wieder weit hinter ihrer Glanzperiode (2600 Leser) steht, – spricht eifrig für die Wahl. Das Lied dieses ultramontanen Blattes singt auch der edle Dulder Venedey, der seit ungefähr einem Monate wieder bei uns weilt, der in seiner jüngst herausgegebenen Broschüre: Der Schrecken soll uns nicht schrecken, der Haß uns nicht zum Hasse treiben! Der Verfasser schwärmt einmal wieder recht in der einstigen Einigkeit Deutschlands und ertheilt dann den Rath, zu wählen und zwar nur solche Männer, denen die Einigkeit am Herzen liegt, also Männer wie – ihn.

1850, Sp. 308-310. Köln. Ende Februar. Die Wahlen für Erfurt. Eine verunglückte Adresse. Verurtheilte Freischärler. Schapper ausgewiesen. Der 24. Februar. [...]

Die Urwahlen für Erfurt erwiesen sich [...] wie die letzten Wahlen für Berlin, als Minoritätswahlen. Durchschnittlich mag sich vielleicht der zwangzigste Theil der Wahlberechtigten eingefunden haben und diese Wähler gehörten zum größten Theil dem Beamtenstande an [...] Für und aus unserer Stadt wurden gewählt: Appellations-Gerichts-Assessor Bürgers, Appell.-Ger.-Rath Broicher, Advocat-Anwalt Compes, Appell.-Ger.-Rath von Ammon, Exminister Camphausen, Appell.-Ger.-Rath Reichensperger, ferner Gust. Mevissen, Heinr. v. Wittgenstein und Dr. H. Claessen, fast auch Beamten. [...]

Das Schicksal der Freischärler, die an dem letzten Badenser Aufstande Theil nahmen und eingefangen wurden, hat sich endlich für den größten Theil entschieden. Zwei Transporte berührten schon Köln auf ihrer Reise vom Oberrhein zur Strafanstalt in Werden a. d. R.; einmal sahen wir ihrer gegen 30, dann 17. Es befanden sich unter diesen Jünglinge, kaum der Schule entwachsen. Aber niedergebeugt waren sie nicht, es wollte fast scheinen, als bereuten sie ihren Antheil an der Revolution nicht. Bei ihrem Anblicke wurde übrigens Mitleid wach, man sammelte auf der Straße eine ansehnliche Summe für die Unglücklichen.

Bei dem Prozeß über den Idsteiner Landescongreß, der vor dem Schwurgericht in Wiesbaden in den letzten Tagen zur Verhandlung kam, war auch einer unserer Bürger, Carl Schapper, einer von den Heroen der ehemaligen Neuen Rheinischen Zeitung. Als die zehn Angeklagten sämmtlich für nicht schuldig erklärt waren, eilte Schapper, dem man in Wiesbaden die größte Auszeichnung unter den Freigesprochenen zollte, zu uns und zu der Ruine, die der Tod aus seiner Familie schuf, – seine Frau und seinen kleinen Kossuth hatte man während der Abwesenheit des Vaters in die Grube gesenkt. Kaum ist er wieder bei seinen drei übrigen Kindern, da kommt ihm von der Polizei die Weisung zu, er müsse die Stadt mit den Kleinen und zwar am zweitfolgenden Tage verlassen. Daran wird der 24. Februar schuld sein, weil man allen Ernstes gesonnen war, diesen Tag in dem Jahre einmal recht feierlich zu begehen, weil man wahrscheinlich Schapper zum Präsidenten gewählt haben würde, wie in der Regel. Am 23. reiste er nach Wiesbaden, wo er sich niederzulassen gedenkt. Am Tage seiner Abreise beschloß man, die Februarfeier in diesem Jahre fallen zu lassen. Dennoch fanden Festlichkeiten an verschiedenen Orten statt, wo man sich (natürlich nur zufällig) fand und allerlei kurzweilige Trinksprüche erfand und absonderliche Lieder sang, z.B. Freiligraths Marseillaise, die den Drehorgeln zu spielen verboten war. [...]

1850, Sp. 471-473. Köln Anfang April. [...] Der Elberfelder Maiaufstand. [...] Die Kettenbrücke.

Heute haben wir Ostersonntag, das Fest der Auferstehung. [...] Der Maiaufstand-Proceß in Elberfeld ist endlich zur Reife gediehen; fast 200 Beteiligte werden vor das Schwurgericht gestellt werden. Hier und in der Umgegend wurden in den letzten Wochen noch mehrere in diese Angelegenheit verwickelte Bürger eingezogen und nach Elberfeld abgeführt.- [...]

Der Zank um die hier über den Rhein anzulegende Kettenbrück ist noch nicht zu Ende. Jetzt fängt man sogar schon an zu zweifeln, ob dieselbe zu Köln oder zu Düsseldorf zu erbauen sei. [...]

1850, Sp. 623-625. Köln Den 8. Mai. Kinkel vor den Assisen.

Noch nie ist hier am Schwurgericht ein Angeklagter gewesen, für den sich beim Volke eine so warme Sympathie äußerte, wie für den Zuchthäusler Gottfried Kinkel, dem Kunst und Wissenschaft so viel verdanken. Noch nie ist hier einem Angeklagten eine so hervorragende militärische Aufmerksamkeit zu Teil geworden, wie dem Naugardter. Noch nie hat ein politischer Charakter vor den Schranken seine Farbe so unumwunden der Schau ausgestellt, wie der Herausgeber des letzten Rheinischen Jahrbuches, und noch nie ist in Köln von der Anklagebank eine solche Vertheidigung gehalten worden, wie am letzten Donnerstag.

Adolf Stahr meint, einen auf Lebenszeit Verurtheilten vor die Schranken des Gerichts zerren, komme ihm vor wie Leichenraub. Der Dichter Gottfried mußte seine einsame Zelle, die er ewig bewohnen soll, noch einmal verlassen, um in seiner Heimath vor den Assisen zu stehen, weil er, als der Aufstand in Düsseldorf, Elberfeld und der Pfalz sich erhob, meinte, die Frankfurter Verfassung müsse dem Volke zu Gut kommen und man müsse für dieselbe das Schwert ergreifen. Daher ging er, nachdem er noch um 6 Uhr an der Universität eine Vorlesung gehalten, in die Volksversammlung, von wo er mit nach Siegburg zum Zeughaus zu ziehen entschlossen war, Waffen zu holen und dann sich nach Elberfeld zu begeben. Das Bonner Militair vereitelte diesen Zweck, ehe man den halben Weg nach Siegburg zurückgelegt hatte. [...]

Zehn Theilnehmer am Zuge sollten eigentlich zur Aburtheilung gelangen; aber ihrer sechs, und unter ihnen Anneke, Commandant der Artillerie in Pfalz-Baden, traten Erholungsreisen nach Amerika oder sonstwo hin an. Die vier von der Bande, deren man habhaft wurde, sind: Kinkel, der Student Meyer, Kaufmann Ungar und Fuhrmann Bühl. [...]

Als aber Kinkel begann und eine Beredtsamkeit entwickelte, die bis jetzt einzig in ihrer Art dasteht, da regnete es Thränen im Publikum, bei der Jury, selbst Officiere sollen nicht trocknen Auges geblieben sein. [...] Es hat einige Tage gedauert, ehe die Rede im Druck erschien. [...]

Kinkel hat sich groß gezeigt; er ist nicht dem Beispiele [Karl] Grüns in Trier gefolgt, er hat seine Gesinnung unumwunden geäußert, indem er sich dem Gericht gegenüber einen Socialisten nannte. Daher mag man ihn auch am Rhein so vergöttern!

Die Behörde war sehr vorsichtig. Der Gerichtssaal enthielt ungewöhnlich viel Mililtair; das Haus hielt eine Compagnie von außen besetzt; Ulanen von Bonn und Kürassiere von Deutz durchritten vier Tage lang die Stadt und von jeder Compagnie mußten sich stets 20 Mann in den Kasernen bereit halten. Den Schluß zu diesen Vorsichtsmaßregeln bildeten einige von der Regierung aufgefahrene Kanonen. Jedesmal, wenn die Gefangenen vor- und abgefahren wurden, war eine unzählige Masse Volkes vorhanden, dem Dichter vorzüglich ein Hoch zu bringen, was fast stets Händel absetzte, Verwundungen und Arrestationen zur Folge hatte.

Von dem Jubel bei der einstimmigen Freisprechung berichte ich nicht, das Volk gebärdete sich wahnsinnig, der Bande widerfuhr viel, sehr viel Ehre.

1850, Sp. 822-824. Köln. Den 19. Juni. Die Stimmung am Rhein. [...]

[...] das Volk will einmal Ruhe, weil es müde geworden ist und schlaftrunken, zu schlummern mit – offenen Augen. Auch die Publicirung des neuen Preßgesetzes hat diese Stimmung nicht in eine andere Lage gebracht, namentlich in Köln, das noch gerade ist, wie im September, im Barricadenmonat, oder im März, in dem man von dem Helden Carneval Honneurs machte, nur können wir nicht begreifen, warum man noch keinen Protest vom Stapel laufen ließ! [...]

1850, Sp. 982-984. Köln. Den 25. Juli. Erwachte Reiselust. [...] Volkshalle. Westdeutsche Zeitung. Die Todesstrafe ist nicht abgeschafft.

Im Jahre 1848 war die Reiselust zum Lande hinausgewandert. Wer Geld hatte, machte einen Abstecher in den Keller und so kam es, daß das Papiergeld wie Schneeflocken in den Staaten herumstob. [...]

Die Kölner Zeitung ist auch noch da und die Volkshalle, die den Redacteur von Florencourt schon wieder entließ, weil er und Müller sich nicht so recht vertragen konnten, wie denn überhaupt die Volkshalle zänkischen Charakters ist, der Art, daß sie sogar mit ihrer einzigen Freundin, der Kreuzzeitung, nicht einmal Frieden halten kann. Was die Caution betrifft, so ist die allein von einem Westphalen, von v. Kettler, gestellt worden, 5000 Thlr., denen wir eine bessere Bestimmung wünschten. [...]

Hier am Rheine arbeitet jetzt die Guillotine, in Aachen, in Elberfeld und in andern Städten. Auch wir sollen sie demnächst sehen. Wir ersuchen die Leser, den Satz: „der bürgerliche Tod ist abgeschafft“, zu vergessen und dafür „den letzten Tag eines Verurteilten“ zur Hand zu nehmen und zu beten, daß die goldene Zeit bald kommen möge.

1850, Sp. 1170-1172. Köln. Den 4. September. [...] Freiligrath, Müller-Tellering. [...]

[...] Freiligrath weilt nicht mehr bei uns. Er wohnt jetzt in dem bei Düsseldorf gelegenen Dorfe Bilk. Der Künstler-Verein Malkasten in ebengenannter Stadt hat den Dichter als Ehrenmitglied aufgenommen [...] Freiligrath darf in den nächsten Tagen eines heftigen Angriffes, der den Londoner Flüchtlingen und der Partei der Westd[eutschen] Ztg. gilt, gewärtig sein; denn Müller-Tellering40 läßt wieder eine Broschüre los, derselbe, der früher ein College jener Männer war, und später in der Kölner Zeitung sich anbot, dem Eröffnungen über seine früheren Bekannten zu machen, der solche verlange. [...]

1850, Sp. 1334-1335. Köln. Den 10. October. Abwehr eines Angriffes im Leuchtthurm auf die Flüchtlinge in Bern. Die Presse in Köln. Bernhard Dietz.

Es gibt nichts Empörenderes, als wenn das Unglück mißhandelt wird, und noch tadelnswerther ist es, wenn ein Leidensgefährte den andern lästert, welche Sünde ein Mitarbeiter (auf den die Redaction nicht eben viele Ursache hat, stolz zu sein) des Leuchtthurms41 in No. 33 begeht. Es ist der erste Aufsatz in dem Hefte, der sich mit den deutschen Flüchtlingen in Bern beschäftigt, in deren Mitte der Verfasser lebt. Der Mensch ist nicht werth, deutscher Flüchtlinge zu sein. [...] Kramer ist übrigens auch in der Schweiz und in Bern und im Leuchtthurm. Auch er ist dem namenlosen Mitarbeiter ein Stein des Anstoßes, weil er pro primo ein Weingesicht hat, weil er pro secundo früher in Köln eine kleine Zeitung, den beliebten Wächter am Rhein, herausgab und weil er pro tertio seinem Gegner eigentlich noch nicht gesagt, warum er ferne von seiner Heimath ist. [...]42

Mit unserer Presse geht es immer mehr den Berg hinab. Alle jene Blätter, die ich Ihnen zu Ende 1848 oder Anfang 1849 aufzählte, sind vor und nach schlafen gegangen, – nur die Volkshalle ist noch da, um, wie es scheint, das Sprichwort „Unkraut vergeht nicht“ aufrecht zu erhalten. [...] Selbst ein Theil, und zwar ein nicht kleiner, der Geistlichkeit ist mit der Führung dieses Blattes nicht einverstanden, denn was soll die Partei des Fortschrittes, selbst des gemäßigsten, von einer Corporation halten, deren Organ eine solche Haltung annimt? [...] Die Westdeutsche Zeitung ist todt, ihr Herausgeber in London und der Redacteur Dr. Becker sitzt im Gefängnisse, um demnächst wieder vor den Assisen zu erscheinen, [...]

Die Kölner [Zeitung] ist seit einiger Zeit wieder in der Achtung des Publikums gestiegen, weil sie eine freiere Richtung einschlug. Neulich hat sie sogar Krieg mit unserm Commandanten gehabt, als sie behauptete, der frühere Herausgeber der „Freien Volksblätter“, B. Dietz, der als Freiwilliger beim 34. Regiment diente, sei wahrscheinlich darum auf dem Manöver erschossen worden, weil das 18. Regiment in Spannung lebte mit dem 34. Wenn auch kein Bürger gegen diese Aufstellung etwas zu sagen hatte, zwei Officiere waren damit nicht einverstanden. Dagegen remonstrirte Dr. Brüggemann und forderte den Beweis, auf den der Stadt-Commandant nicht lange warten ließ. Dieser gab den Officieren Recht, die Regimenter lebten in Frieden; wenn der aber einmal gebrochen worden, so sei die nimmer ruhende Partei der Republikaner Schuld daran. Im Publikum war man sehr gespannt, ob die Kölnerin nun am Ende sei, um so mehr, da innerhalb 8 Tagen noch zwei Schlägereien stattfanden. Du-Mont war zu Ende. Der eben genannte Freiwillige starb nach wenig Tagen an seiner Wunde, die neben dem Rückgrat anfing und durchging bis zur Brust und vorne heraus. Ein ungewöhnlicher Zug begleitete die Leiche des Jünglings zu Grabe, Männer und Frauen, und selten ist der Kirchhof wohl an einem Tage mit so vielen Thränen getränkt worden, wie am 25. September.

1850, Sp. 1494-1497. Köln. Am 14. November. Die Jesuiten in Köln. Der Erzbischof ist zum Kardinal erhoben.

Die Überzeugung der Volkshalle, daß in diesen Wochen der Bevölkerung Kölns eine wunderbare Erscheinung bevorstehe, muß auf einer Illusion beruhen oder, wie alles Geistige, unfaßbar für die sein, die gerade nicht zu den Auserwählten gehören. Denn die Menschen sind noch wie zur Zeit, in der Noah die Sündfluth prophezeihte. Sie nehmen und geben zur Ehe, essen Abends ihre Brüsseler Austern und tringen ihren Schoppen in der Schenke, die sie meiden, und gehen ins Theater, das sie nicht besuchen sollen, und fluchen und lachen, wie es gerade die Umstände mit sich bringen, welcher Vorwurf hauptsächlich die männliche Bevölkerung angeht. Trotzdem darf man nicht annehmen, daß nur die vielen Landleute, die alten Mütter und die Jungfrauen, welche bereits 30 Jahre in der Gereonskiste43 sitzen und denen kein Stern die Erlösung winkt, die Kanzelvorträge der Patres anhörten, es war wohl kein Mann in der großen Stadt, der nicht mehrere Mal den Dom heimgesucht hätte, die fremden Prediger zu sehen, zu hören, und ihre Reden mit denen der bekannten Geistlichen zu vergleichen, und da meinte man, daß der Pastor Vill, der Caplan des Erzbischofs, der von Columbia, Schröder u.v. A. nicht Ursache hätten, einen Wettkampf auszuschlagen. Man hat oft gefragt, ob die Berufung der Jesuiten nicht eine Hintansetzung für unsere Geistlichen sei und das ist sie unleugbar, sagte doch der Pater, der die Einleitpredigt im Dome hielt, sie verkünigten dieselben Lehren wie andere Priester, nur träten sie da auf, wo das Christentum noch nicht verbreitet oder wieder erkaltet wäre. Der Satz ist klar. Der Redner erniedrigte sich nur in dem ersten Augenblicke, um sich im andern selbst zu erhöhen. Denn wer vom gewöhnlichen Menschenschlage wird das Erkalten in Glaubenssachen im Streben der Zeit suchen? Wird man die Erscheinung nicht vielmehr den Geistlichen beimessen? die doch wahrhaftig für ihre Sache an allen Orten Eifer genug entwickeln! –

Den Schein hat es übrigens gewonnen, als wären die neuen Prediger geeigneter, auf die Massen Einfluß auszuüben – die Theilnahme behauptet das. Aber man bedenke nur: So oft hier eine Festlichkeit auf kirchlichem Gebiete ausgeschrieben wurde, ist das Volk nie theilnahmslos geblieben. [...] Die Theilnahme mußte daher ungewöhnlich ausfallen und ist sie von Anfang bis Ende. [...]

Also, an Erfolgen fehlt es nicht und das ist natürlich. Da ist erstens der Johannes des Jesuitenthums, der Vorläufer, d.i. der Ruf, der den Gesandten die Wege zubereitet. Ferner erscheinen in den Augen der Gläubigen die Sendlinge als Märtyrer, weil sie fast allenthalben durch die Presse verschrien werden. Dann ist es die Art und Weise ihrer Kanzelvorträge, die diejenigen gar leicht fesselt, die mehr Herz als Kopf ihr eigen nennen, in welcher Rubrik das weibliche Geschlecht stark ist, – die Reden zeichnen sich durch eine ungewöhnliche Lebhaftigkeit aus, die so auffallend ist, daß der Predigtstuhl in fortwährender Vibration bleibt [...] Was den Inhalt betrifft, so ist derselbe oft interessant, da derselbe fast ausschließlich aus dem gewöhnlichen Leben gegriffen ist, ohne den Reiz der Neuheit einzubüßen. [...] Besonders feindseilig sind diese Geistlichen auf das Theater und den Roman zu sprechen, beide werden als Pflanzstätten des Lasters bezeichnet und wer nicht beichtet, muß brennen. [...]

Wir haben ein großes Fest hinter uns, das der Erhebung unseres Erzbischofs zum Cardinale. Am vorigen Samstage nahm dasselbe seinen Anfang am Abende mit der Ankuft des Nuntius Viale Prela und seines Begleiters. Deutz, die Schiffbrücke und Köln waren illuminirt, die Glocken beider Städte brummten Willkommenslieder und dazwischen zeigten die Böller am Rhein ihre Feuerzungen. An den beiden folgenden Tagen zog die Stadt ihr Festkleid an und am Dienstage wurde man schon in aller Frühe durch alle Glocken der Stadt geweckt und zum Dome gerufen, von wo aus sich nach 8 Uhr ein Zug aus 3 bis 400 Geistlichen, unter denen sich 8 Bischöfe befanden, zum Palaste des Erzbischofs bewegte, denselben zur Metropole abzuholen, wo der Nuntius das Breve dem Erzbischof überreichte. Am Abende gab es einen Fackelzug, aus 2000 bis 3000 Theilnehmern zusammengesetzt. Der Männer-Gesang-Verein trug einige Lieder vor und zwar in so vollendeter Weise, daß das rohe Volk, das zu zahlreich versammelt war, schwieg, daß Niemand sprach, als nur allein der Caplan des Erzbischofs mit einem anderen Geistlichen auf dem Balcon. Se. Eminenz dankte für die Aufmerksamkeit des Volkes, daß ihr Bischof zum Cardinal gemacht wurde, dadurch würdig zeigen könne, wenn es den König ehre und die Kirche achte, bei welchem Passus einiges Geknurre ins Leben trat. Am andern Tag wurden 72 arme Greise öffentlich gespeist und getränkt und am Abende fuhr die hohe Geistlichkeit, 30 Wagen hoch, nach dem Concert durch die außerordentlich glänzend erleuchtete Stadt zum Dome, der durch benalische Feuer bis zu den Thurmspitzen erleuchtet war.

1850, Sp. 1653-1656. Köln. 20. December. Preußen und seine Feinde. Ausweisungen. Haussuchungen und Confiscationen.

Seit der Olmützer Conferenz fühlen wir Rheinländer uns unbehaglich; denn all’ die Forderungen Österreichs, Preußen gegenüber, waren so humoristisch, und die Bewohner der so viel besungenen Stromufer lieben den Humor. [...] Kurz, man hat vergessen, daß Preußen sein eigenes Interesse fast nie in den Vordergrund treten ließ, sonst konnte man unmöglich mit solchen Propositionen herausrücken, wie wir sie eine Zeit lang fast täglich lasen und hörten, sonst könnten sich die kleineren Staaten, deren Schutz unser Heer war, nicht so passiv verhalten, sonst dürfte man nicht an der Seine vom Kaier des linken Rheinufers faseln! Alle Meteore am politischen Horizonte deuten darauf hin, daß man im Osten, Norden und Westen Europas vereint bestrebt ist, Preußens Einfluß auf die deutsche Politik zu schwächen und seine Rechte zu schmälern. [...] Hier am Rheine schwärmte man für die Erhebung gegen jenen Staat, der nur eine Schuld von 1000 Millionen zu tilgen hat und der nicht einmal allein Ungarn wieder in seine Fugen zu bringen vermochte. Allenthalben also sehnte man den Krieg herbei, nur die Volkshalle nicht, ein Blatt, das zufolge der Vossischen Ztg. in jedem Trimester 500 Thaler aus Österreich bezieht. Daß sollte indes für dieses ultramontane Journal nicht ohne Folge bleiben. Die Neue Preußische, die Vossische und andere Zeitungen fuhren der Art über dieses Friedensgeschrei des Chef-Redacteurs Dr. Müller her, nannten die Lügenberichte Landesverrath u. dgl., so daß die Polizei sich erinnerte, jener Herr Müller sei ein Würzburger Professor, den man doch besser zur Heimath schickte, als daß er weiter Propaganda für Österreich mache, – er wurde ausgewiesen und nicht einmal von dem Verwaltungsrath der deutschen Volkshalle befürwortet oder reclamirt. Die Ausweisungen sind hier recht im Zuge und leider werden in der Regel Männer von derselben heimgesucht, die weit über dem Würzburger Professor stehen. Da ist z.B. F. Freiligrath zu Düsseldorf, an dem man nun bereits drei Monate maßregelt, ohne seiner losgeworden zu sein, weil der Dichter stets mit Gründen die Gesetzwidrigkeit der Ausweisung nachweist. Ob er weichen muß, ist zur Zeit noch nicht entschieden.

Da ist ferner der Abgeordnete Gladbach, von der äußersten Linken, auch er mußte mit Weib und Kind die Stadt verlassen, soll jetzt aber wieder Köln bezogen haben. Dann kommt Georg Weerth, eine der ersten Größen der ehemaligen N. Rheinischen Ztg., der von England herüber kam, eine dreimonatliche Gefängnisstrafe abzubüßen, um sein Bürgerrecht aufrecht zu erhalten. Man spann ihn die Frist ein und bedeutete ihm nun, er möge sich empfehlen und nicht wiederkommen. In den letzten Tagen ergriff man Baute, den Geschäftsführer der Westdeutschen Ztg., setzte ihn eine Nacht über, transportirte ihn auf ein niederländisches Dampfboot, daß er hinabschwimme zu seiner Vaterstadt Emmerich. [...] Schließlich führen wir noch den Chemiker Otto an, einen Mann, der zu den gelehrtesten der Provinz gezählt wird. Auch ihn traf die Ausweisung, die aber zur Zeit noch nicht ausgeführt wurde, weil er sich wehrte wie Freiligrath.

Hand in Hand mit den Ausweisungen gehen die Haussuchungen und Confiscationen, deren es in der vorigen Woche noch zwei absetzte. Dr. Becker, dessen Assisenrede (in Magdeburg mit Beschlag belegt!!!) bereits zum sechsten Male aufgelegt wird, hat „Republik und Königthum von J. Mazzini“ ins Deutsche übertragen. Am Tage nach der Anzeige wird das Werk confiscirt und zwei Tage darauf schon wieder außer Verfolgung gesetzt. Zur selben Zeit suchte man bei Zerbst die Brochüre „Aus dem Landwehrleben in Klüngelheim“, vermittelst deren der Verfasser, zufolge der Anklage, nachtheilig auf die in diesen Tagen abgehende Landwehr einzuwirken versucht haben soll. Außer diesem erschien in Düsseldorf, Aachen und hier an den Straßenecken ein Placat, ein Aufruf an die Landwehr, wachsam zu sein, ob man nicht einen Zug zur Unterdrückung der Republik in Frankreich bezwecke. Das Flugblatt hat Verhaftungen und viele Nachforschungen zur Folge. Sie sehen, unsere Polizei ißt ihr Brot gegenwärtig mit Schweiß im Angesichte.




1Für freundliche Hinweise danke ich Dr. Gisela Mettele, Chemnitz, und Florian Gläser, Trier.

2Vgl. Wolfram Siemann: Die deutsche Revolution von 1848/49, Frankfurt/Main 1985, S. 114ff. Ursula E. Koch: Macht und Ohnmacht der Presse um 1848. Frankreich und Deutschland im Vergleich, in: Dieter Dowe, Heinz-Gerhard Haupt u. Dieter Langewiesche (Hg): Europa 1848. Revolution und Reform, Bonn 1998, S. 771-814.

3Zitate nach Rudolf Zewell: Die österreichische Revolution von 1848/49 im Urteil der Rheinländer, Diss. Wien 1980, S. 1f.

4Durch Zufall fand ich bei der Durchsicht des Nachlasses des russischen Marxforschers Boris Nikolaevskij, der in den Hoover Archives, Stanford University, USA, lagert, einen Hinweis auf diese Korrespondenzen. Für die Dokumentation habe ich das Exemplar benutzt, das sich im Besitz der Kunstbibliothek der Staatlichen Museen zu Berlin befindet. Über eine Mikrofilmkopie der Jahrgänge 1847 und 1848 verfügt das Karl-Marx-Studienzentrum, Trier.

5Freundliche Auskunft von Herrn Dr. Bernhard Fischer, Cotta-Archiv, Marbach.

6Vgl. Walter Kühn: Der junge Hermann Becker. Ein Quellenbeitrag zur Geschichte der Arbeiterbewegung in Rheinpreußen, Dortmund 1934.

7In den „Jahreszeiten“ vom 19.9.1849 macht der Autor die Angabe: „Am 29. August erschien ich mit meiner jetzigen Frau vor dem Civilstands-Beamten, um mich trauen zu lassen.“ Jahreszeiten 1849, Sp. 1241. Von denjenigen Männern, die am 29.8.1849 in Köln heirateten, kommt nur „Alex. Günther, Lehrer, v. Rees“, als Autor der Korrespondenzen in Frage. Er vermählte sich mit „Maria Anna Belles, v. hier“ (also von Köln). In seiner Korrespondenz, die am 18.7.1849 in den „Jahreszeiten“ erschien, spielte Günther erneut auf sich an und zwar als „Verfasser des Hexensohnes“, der sich „angelegentlich mit Hochzeitsliedern für sich selbst“ befaße. Die Korrespondenzen selbst zeichnete Günther einige Male als „Andres“ oder kurz mit „A“.

8Nachforschungen über die Herkunft Günthers waren bisher erfolglos, nicht zuletzt da die Unterlagen des Stadtarchivs Rees 1945 vernichtet wurden. Freundliche Auskunft von Frau Oostendorp vom 9.12.1997. In den „Jahreszeiten“ veröffentlichte Günther über seine Korrespondenzen hinaus auch den ersten Teil einer Erzählung und ein Gedicht. Vgl. Alexander Günther: Der Sohn der Hexe. Eine westphälische Dorfgeschichte aus dem siebzehnten Jahrhundert, in: Jahreszeiten 8, 1849, Bd. 1, Sp. 1 14. Die angekündigte Fortsetzung wurde nie abgedruckt. Ders.: Des Dichters Bräute. Eine vormärzliche Spielerei (Gedicht), in: ebd., Bd. 2, Sp. 1173. Es handelte sich um ein seiner Braut Anna gewidmetes Gedicht, in dem er Abschied nahm von seiner Braut „Poesie“.

9An welche weiteren Zeitungen Alexander Günther Korrespondenzen schickte, läßt sich nicht mehr feststellen. Günther scheint weder mit dem Verlag Cotta noch dem Verlag Brockhaus in Verbindung getreten sein. Freundliche Auskunft von Dr. Bernhard Fischer, Cotta-Archiv Marbach, vom 12.1.1998 und von Frau G. Gebauer, Sächsisches Staatsarchiv Leipzig, vom 18.12.1997.

10Vgl. Alfred Estermann (Hg.): Die deutschen Literatur-Zeitschriften 1850-1880, München usw. 1988, hier Bd. 2, S. 415-418. Zitate n. ebd.

11Die Verbesserung unserer Rechtschreibung, in: Unsere Zeit, Leipzig, Bd. 5, 1861, S. 237-251, hier S. 237.

12Günther spielt damit auf die Tatsache an, daß die Demonstranten sich zerstreuten, als ein Infanterie-Bataillon unter Trommelwirbel gegen 21 Uhr anmarschierte.

13Sulpiz Boisserée notierte in seinem Tagebuch: „Große Angst der Gemeinde-Räte - Stadt-Rat Bourel wollte zum Fenster hinausspringen und zerbrach die Beine.“ Tagebücher, 4 Bde., Darmstadt 1978-1985, hier Bd. 4, S. 465.

14Schmäh- bzw. Spottschrift.

15Der sagenhafte Gajus Mucius Scävola („Linkhand“) soll, als 507 v. Chr. die Etrusker Rom belagerten und er gegen deren Anführer einen Mordversuch unternahm, bei seiner Festnahme zum Zeichen seiner Furchtlosigkeit seine rechte Hand über einem glühenden Kohlenbecken verbrannt haben. Arnold von Winkelried soll der Überlieferung nach in der Schlacht von Sempach durch seinen Opfertod den Sieg der Schweizer über den vorderösterreichischen Adel unter Herzog Leopold, der dabei mit 1.400 Edelleuten den Tod fand, entschieden haben.

16Andreas Hofer (1767-1810), Tiroler Freiheitskämpfer.

17Sinngemäß: Aus Schaden wird man klug.

18Freudentränen.

19Schuster, bleib’ bei deinen Leisten.

20Am 11. April fand im Kölner Arresthaus während der Essensausteilung gegen 17.00 Uhr ein Aufstandsversuch der Strafgefangenen statt, der jedoch mit militärischer Hilfe unterdrückt wurde. Ein Aufseher wurde getötet und ein zweiter schwer verwundet. Kölnische Zeitung (KZ) 103, 12.4.1848, 1. Beilage.

21Sulpiz Boisserée notierte in seinem Tagebuch am 15.5.1848: „In Köln Adressen gegen die Minister, an den Straßen-Ecken Tische mit Schreibzeug und die Vorbeigehenden zum Unterzeichnen aufgefordert.“ Tagebücher, Bd. 4, S. 501f. Für Boisserée stand fest: „Alle die Umtriebe in Köln von verächtlichem Lumpen-Volk.“ Ebd., S. 503.

22Neue Rheinische Zeitung (NRZ) 11, 11.6.1848, „Die Reaktion bereitet einen großen Schlag vor.“ Der 2. Kommandant der Kölner Festung Oberst Friedrich Engels schrieb am 12.6.1848 zu diesen Berichten: „Die [Neue] Rheinische Zeitung sieht in den von mir getroffenen Vorkehrungen in dem nie so ruhig gewesenen Cöln die sichersten Anzeichen der Reaktion und bittet flehentlich die Arbeiter, sich während der Pfingsttage ruhig zuhalten, damit die republikanische Bewegung später um so einiger und kräftiger seyn werde. Eine Menge von ihr angegebene Data sind aber unrichtig und ungenau, wenn anderes auch vollkommen richtig.“ Historisches Archiv der Stadt Köln, Abt. 1149, MS-Abschrift.

23Der Kölner Korrespondent der „Deutschen Zeitung“ (DZ) berichtete am 18. Juni: „In den unteren Schichten des Volkes beginnt man die Exekution gerichtlicher Urtheile für eine Barbarei und für ein Überbleibsel des ‘Polizeistaates’ zu halten; es ist soweit gediehen, daß gerichtliche oder Zwangsverkäufe in Köln z. B. nicht mehr möglich sind: die mit dem Verkaufe beauftragten Gerichtsvollzieher sind mißhandelt und verjagt, die extrahirenden Gläubiger hat, wo sie zugegen waren, dasselbe Loos getroffen, die abgepfändeten Effekten und Waaren sind gewaltsam fortgetragen... die Polizei hat sich schüchtern herangewagt und ist verlacht und verhöhnt wieder abgezogen; die Bürgerwehr ist ... sparsam erschienen, ums sich die Sachen in aller Ruhe und lachend anzusehen.“ DZ 172, 22.6.1848, ** Vom Rhein.

24Vgl. die Korrespondenz Günthers: „Köln. Den 22. Juni“.

25Im August 1846 war es im Verlauf der Martinskirmes auf dem Alter Markt zu Gewaltakten des Militärs gegen Bürger gekommen, die ein Todesopfer und viele Verwundete gefordert hatten.

26Janhagel (niederländisch), auch Hanshagel, bedeutet soviel wie Pöbel. Jan (=Hans) heißt hier Narr, Hagel hergelaufenes Volk.

27Sulpiz Boisserée notierte in seinem Tagebuch am 29.6.1848: „In Köln gestern Auflauf bis 1 Uhr in der Nacht. Fenster bei Camphausen eingeworfen.“ Am 30.6.: „In der Nacht nochmal Zusammenlauf bei Camphausen und bei Wittgenstein. Fenster-Scheiben.“ Tagebücher, Bd. 4, S. 514 u. 515.

28Die Karnevalszeitung „Kölner Funken“ verlieh am 28.1.1849 dem „Redakteur en Chef“ der Neuen Rheinischen Zeitung, Karl Marx, den „Kommunißorden erster Klasse mit zwei aufrecht übereinanderstehenden rothen Fahnen“, die Marxsche Zeitung bezeichnete sie in diesem Zusammenhang als „neue rheinische Injurienhalle". Zit. n. François Melis: Zur Gründungsgeschichte der „Neuen Rheinischen Zeitung“. Neue Dokumente und Fakten, in: MEGA-Studien, hg. von der Internationalen Marx-Engels-Stiftung, Amsterdam, Heft 1, 1998.

29Der Drechslermeister Gabriel Wilhelm Schlechter war ein streitlustiges Original, verfaßte Gedichte verfaßte und stellte „Patent“ Pfeifenköpfe mit zeitgemäßen Emblemen und Konterfeis. 1848 wurde er wegen seines Zunftdenkens und seiner monarchistischen Anschauungen bald von den Demokraten verhöhnt. Vergl. Marcel Seyppel: Die Demokratische Gesellschaft in Köln 1848/49, Köln 1991, S. 169. Bereits am 12.3.1848 hatte sich Schlechter an den preußischen König mit Vorschlägen gewandt. Als Vertreter des Mittelstandes trat er dagegen auf, daß der Staat nur für die Reichen und die Armen etwas tun würde, während auf dem Mittelstand alle Steuern lasteten. Gleichzeitig legte er seine „Ansicht über einen etwa zu befürchtenden Krieg hier am Rhein!“ dar. Er hatte sogar ein Lied für den Krieg gedichtet und beigelegt. Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz 2.2.1. Nr. 187, Bl. 130 134r.

30Geflügeltes Fabeltier (Pegasus) mit Pferdeleib und Greifenkopf.

31Sulpiz Boisserée schrieb in einem Brief vom 5.7.1848: „Wegen der Fortsetzung des Dombaues selbst ist Zwirner in größter Besorgnis, da die königlichen Gelder nächstens erschöpft sind, und die seit drei Wochen in Köln veranstaltete Sammlung, obwohl sie über Erwartung gut ausgefallen [ist], das Werk nur bis zur Mitte September im Gang erhalten kann.“ Mathilde Boisserée (Hg.): Sulpiz Boisserées Briefwechsel nebst Aufzeichnungen aus dem eigenen Leben, 2 Bde., 1861, hier Bd. 1, 860.

32Friedrich Wilhelm Graeff (1803-1885), Appel­lationsgerichtsrat, von November 1848 bis Februar 1851 kommissarischer Ober­bür­ger­­­meister der Stadt Köln, zugleich zeitweise Vorsitzender des katholischen Pius-Vereins und des Verwaltungsrates der katholischen „Rheinischen Volkshalle“.

33Napoleon III.

34Über die Neue Kölnische Zeitung und Mathilde Anneke wußte der Korrespondent des „Bonner Wochenblattes“ Interessantes zu berichten: " Köln, 18. Dezember.... Ein anderes Curiosum bringt die Kleine ‘Neue Köln. Ztg.’, dieses Preußenfresser Blättchen, von Frau Anneke und Beust redigiert... Mathilde Anneke ... Sie ist vielseitig diese Frau, – Publizistin, Schöngeist und dramatischer Blaustrumpf... Durch Collision mit der Offizin, wo das Blatt bisher gedruckt wurde, hat Frau Anneke jetzt eine Presse, eine Hagar  oder hölzerne, in das Heiligthum ihrers Zeitungs Ateliers hinbewegen lassen und Setzkasten dazu. In einem der jüngsten Blätter heißt es: ‘Lieber Papa im Kerker, diesen Gruß habe ich Dir selbst gesetzt. Deine kleine Setzerin Fanny.’ Jeder macht sich eben im Redaktionszimmer, in der Setz  und Druckerei der ‘Neuen Köln. Ztg.’ etwas zu schaffen, um die politisch giftige Redactrice und die fleißige, aus dem Stegreif improvisirte Setzerin zu sehen. Es sei!“ BW 331, 20.12.1848.

35Erzherzog Johann von Österreich, am 24. Juni 1848 von der Frankfurter Nationalversammlung zum Reichsverweser gewählt.

36Arion, griechischer Dichter und Musiker, um 620 v. Chr. Nach der Sage konnte sich Arion auf der Fahrt von Sizilien nach Korinth vor habsüchtigen Schiffern retten, indem er sich ausbat, noch einmal seine Kunst üben zu dürfen. Nachdem er gesungen hatte, stürzte er sich ins Meer und erreichte auf dem Rücken eines Delphins das rettende Ufer.

37Bereits im November 1848 hatte der Korrespondent des „Bonner Wochenblattes“ über die Bildung eines Frauen-Vereins berichtet: „ Köln, 15. Nov. ... Sie haben doch seiner Zeit von der emanzipirten Mad. Lehmann, von der Louise Aston, von der Lola Montez gehört, von Frauen, die mit der George Sand im Mannweibthum in die Schranken treten wollten und es wirklich gethan haben. Auch hier ist ein Club ‘emanzipirter Frauen’ im Entstehen, deren Leitung eine Frau Mathilde Anneke und einer Dame, Buntekuh oder Bunteschuh geheißen, anvertraut sein soll. Da werden denn diese Weiber zu guter Letzt unsere Frauen emanzipiren wollen, und mit der Reitgerte in der Hand und dem Glimmstengel zwischen den Purpurlippen ihre Reorganisation der Frauenrepublik zu dociren bemüht sein. Wir sind gespannt auf dieses Ereignis, zumal da der Vorstand dieses Vereins ein schönes Weib und die Gattin des Ex Lieutenants Anneke ist, der vor Monden mit dem Dr. Gottschalk aus politischen Gründen eingesteckt wurde. Diese neue Frauen Heilandin ist Schriftstellerin und gab früher in Münster Damenalmanache und Gebetbücher heraus unter dem Namen Math. v. Tabouillot, der Firma ihres ersten Mannes, von dem sie geschieden wurde. Bin doch gespannt auf das neue Evangelium, was diese Weiber Apostel lehren werden!...“ BW 304, 18.11.1848.

38Die „Punschstuben“ scheinen eine neue Erscheinung des Jahres 1848 gewesen zu sein. Der Korrespondent des „Bonner Wochenblattes“ schrieb am 18. Dezember 1848: „außer den ‘Austernsalons’ haben wir jetzt auch ‘Punschstuben’ hier bekommen, wo man sich so recht Eins über den Durst trinken kann. Auch die Damen verschmähen die dampfende Bowle nicht; sie ist nicht aus dem Gesetzbuch der Etiquette gestrichen.“ BW 331, 20.12.1848.

39Kandelaber – Gestell zum Tragen von Kerzen, Lampen etc.

40Wahrscheinlich handelt es sich um die Broschüre Paul Eduard Müller-Tellerings: Vorgeschmack in die künftige deutsche Diktatur von Marx und Engels, Köln 1850. Nachdem Müller-Tellering 1848/49 als Wiener Korrespondent der von Karl Marx geleiteten Neuen Rheinischen Zeitung fungiert hatte, griff er 1850 Friedrich Engels und Marx als Schurken und Ausbeuter der Arbeiter an.

41Der Leuchtthurm. Wochenschrift für Politik, Literatur und gesellschaftliches Leben, Leipzig.

42Über Carl Cramer heißt es in dem genannten Bericht des „Leuchtthurm“: „Cramer, aus Köln“, mit „krausem Haar und fröhlichem Weingesicht, das etwas den Lump anzudeuten schien... Cramer war in seiner Vaterstadt Redakteur eines der zahllosen, während der Revolution entstandenen und mit ihr untergegangenen, Winkelblättchens gewesen, weshalb er flüchtig, konnte ich nicht erfahren.“ Durch „sein stets holdlächelndes Gesicht, mit den kleinen weinseligen Augen, denen die Brillengläser vergebens einen ehrbaren Anstrich zu geben bemüht waren und sein köllnisches Patois“ sei ihm „die Ehre des Lustigmachers“ zugekommen. Der Leuchtthurm, Leipzig, Nr. 33, 1850, S. 603 610, hier S. 607.

43Fußnote des Autors dazu: J. B. Rousseau singt: Die Kiste des heiligen Gereon / Wird spröden alten Jungfern zum Lohn / ... Da müssen sie denn zu ihrer Pein, / Am End’ in die leidige Kiste hinein.