Zur Geschichte der Ersten Internationale

Die europäische Dimension der Internationale

Die Erste Internationale, gegründet 1864 in London, muß als eine der Geburtsstätten des europäischen Sozialismus betrachtet werden. Geleitet wurde diese Arbeitervereinigung von einem Genaralrat in London, der von einem jährlichen Kongreß gewählt wurde. Foto der Delegierten des Brüsseler Kongresses von 1869 Auf den Kongressen der Internationale wurden in den 1860er Jahren die Grundforderungen diskutiert und in Beschlüsse gefaßt, die über Jahrzehnte hinweg die Programmatik sozialistischer und kommunistischer Bewegungen in Europa beeinflußten. Begrenzung des Arbeitstages, Streiks, Nationalisierung von Grund und Boden. Um die Bedeutung der Ersten Internationale zu beleuchten, sei nur auf die Ergebnisse der Begriffsgeschichte hingewiesen. So trug die Erste Internationale wesentlich dazu bei, daß der Begriff "international" in die Lexika und Enzyklopädien des ausgehenden 19. Jahrhunderts aufgenommen wurde.




Erläuterungen Wilhelm Liebknechts von 1893 zu diesem Foto.


Zur Rolle von Karl Marx

In der Forschung umstritten war immer vor allem die Frage nach der Rolle von Karl Marx. Über diese Frage gab es nicht zuletzt einen deutsch-deutschen Dauerstreit. War man sich in der "Regiekunst von Marx" (Werner Sombart, 1924) zwar einig, so war man sich über den politischen und ideologischen Einfluß von Marx auf die sich bildenden Arbeiterbewegungen äußerst uneinig. Die westliche Forschung stellte die organisatorische und ideologische Vielfalt der sich organisierenden Arbeiterschaften heraus. Die marxistisch-leninistische Forschung behauptete demgegenüber einen herausragenden und einzigartigen Anteil von Karl Marx und seiner Theorien an der Bildung und der Politik der Ersten Internationale. Einseitig wurde die Betonung auf den Sieg und die Ausbreitung des Marxismus gelegt. Die Erste Internationale wurde als Beweis für die "historische Notwendigkeit des Sieges des Marxismus über die verschiedenen Formen des kleinbürgerlichen Sozialismus" herausgestellt.
Die Internationale blieb bis zu ihrer Auflösung 1872/76 eine lockere revolutionäre Organisation, die in erster Linie den Zweck verfolgte, Kontakte zwischen den Arbeiterbewegungen in den einzelnen Ländern herzustellen und die Voraussetzungen für ein gemeinsames Handeln zu schaffen. Die Mitgliedschaft war außerordentlich flexibel geregelt. Einen weitergehenderen Einfluß auf die einzelnen Sektionen, die sich vielfach noch nach dem Sprachgruppenprinzip konstitutierten, konnte die Londoner Zentrale, der Generalrat der Internationalen Arbeiterassoziation, in keiner Phase erlangen. Marx selbst scheint zumindest am Anfang nicht daran gedacht zu haben, die sich in den verschiedenen Ländern entfaltende Bewegung in einen straffen ideologischen und organisatorischen Rahmen einzubringen. Ihm war vornehmlich darum zu tun, die Anhänger der Internationale zur Anerkennung seiner kommunistischen Theorie zu bringen, ohne freilich mehr als einen allgemeinen ideologischen Rahmen für ihre Arbeit zu setzen. Die Internationale war somit vor allem eine "lose Verbindung heterogener Gruppen mit mehr oder minder sozialistischer Orientierung" (Georges Haupt). Fand sich Marx zunächst auch mit dieser Vielfalt ab, so begann er gegen Ende der 1860er Jahre seine Konzeption zu ändern. Von einem "intel-lektuellen Clearingzentrum" wollte er die Erste Internationale zur "Funktion einer internationalen Parteiführung" machen, eine kämpferische Klassenorganisation und politische Partei.

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Marx sieht 1870 einen außenpolitischen Wendepunkt

Für Karl Marx änderte sich mit dem Krieg von 1870 die machtpolitische Landkarte Europas entscheidend. Deutschland wurde von Rußland unabhängig und damit ein Zusammengehen von Frankreich und Deutschland zur Durchsetzung von Republik und sozialer Revolution möglich. Marx sieht erstmals für Europa ein grundlegende Veränderung der außenpolitischen Kräfteverhältnisse.

Zu neueren Darstellungen

    Julian P.W. Archer: The First International in France. 1997.
    Antje Schrupp: ... Frauen in der Ersten Internationale. 1999.
    Timothy Messer-Kruse: The Yankee International. 1998.
    Richard Biernacki: The Fabrication of Labor. 1995.
    Panikos Panayi: German Immigrants in Britain ... 1995.
    Michail Bakounine, Œuvres complètes. CD-ROM. 2000.